DER HOLLE ZWEITER TEIL

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ten Bäumchen, die sichtlich auf Befehl des Lagerkommandanten die Lagerstraße säumten, sahen nach wie vor wie gekreuzigt aus, und ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Vogel im Lager singen gehört oder über den Weg hüpfen gesehen zu haben. Aber die Geranien, von bevorzugten Gefangenen an den Kopfenden der Baracken angepflanzt, steckten im Morgen­wind die Köpfchen zusammen, wenn wir an ihnen vorüber­marschierten, und der Abendwind wehte zuweilen noch viel würzigere Düfte zu den Arbeitsplätzen herüber, von Nelken und Levkojen und sogar von Rosen. Sie entströmten einem abgelegenen Winkel des Lagers, wo unsere blumenlieben Zucht­meister sich ein richtiges Gärtchen angelegt hatten, teils für ihre eigenen blumenlieben Bedürfnisse und teils zum Tafel­schmuck für das SS- Kasino draußen am Waldesrand, wo, wenn hoher Besuch aus München angesagt war, bevorzugte Gefan­gene, meist verdächtig hübsche junge Burschen, bei Tisch be­dienen durften. Auch zum Begießen der lieblichen Blumen­wildnis, in der wie in einem Pfarrgarten alles, Kraut und Rüben, durcheinanderwuchs, wurden Gefangene verwendet.

Wenn unbeschäftigt, was im Hochsommer zuweilen vorkam, durften wir in diesem abgelegensten Teil des Lagers hin und wieder einen Nachmittag lang die Füße vertreten, militärisch aufgereiht natürlich und unter entsprechender Aufsicht. Aber selbst in solchen Augenblicken eines schwelgerisch festlichen Müßigganges war es ganz unmöglich, sich zu einer dieser SS- Blumen hinunterzubeugen, geschweige denn sie zu berühren.

Nur in einer einzigen von den dreißig Baracken war dies den Insassen bis zu einem gewissen Grade gestattet, denn dort gab es sogar Schnittblumen, die, zu mageren Sträußchen gebunden, die Tische des Tagraumes schmückten. Es war dies die Zweier­baracke, die, gleich neben dem Revier und an dieses anschlie­Bend gelegen, den ausländischen Journalisten und Korrespon­denten gezeigt wurde. Von schmucken, höflichen, manchmal