GASTSPIEL IN DER HOLLE

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hausen ,, Simplicissimus" vielfach lehrreichen Bezug. Seine Lektüre berichtigt mittelbar eine Ansicht, die wieder andere strammstehende deutsche Historiker, im dritten und vierten Jahrzehnt dieses unseres Jahrhunderts, der Mitwelt zu ver­mitteln trachteten, daß nämlich die sogenannte Ideologie des Nazismus eine originelle neudeutsche Erfindung wäre. Kein Wort wahr. Der ganze Nationalsozialismus ist auch dort, wo ihm nicht der italienische Faschismus als Vorbild diente, nichts anderes als ein Abklatsch und eine ganz unschöpferische Nach­ahmung uralter deutscher Roheit. Vor fünfhundert Jahren hieß man ihn das ,, Faustrecht", gegen das bekanntlich Kaiser und Päpste vergeblich ankämpften, und vor dreihundert Jahren war es die Sittenverwilderung im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges, dessen Vokabular der Grausamkeit der Nationalsozia­lismus bloß schülerhaft abwandelt. Der ,, Führer", wenn man ihm auf die Finger schaut, war nichts anderes als ein entfern­ter Nachläufer, und das Muster der Bestialität, die er erfunden zu haben behauptete, war durchaus kein von ihm entworfenes, sondern nur eine altdeutsche ,, Patrone", deren sich die Zimmer­maler bedienen, wenn es eine Stubenwand oder Kerkerzelle

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auszupinseln gilt. Dies paẞte vortrefflich zu einem Zeit­alter, in dessen Büchern der ,, Fant" durch den ,, Tann" ritt, die goldblond bezopften Maiden am Bachesrand Kränzlein wan­den, das Waldvöglein unablässig zwitscherte und der deutsche Kleinbürger, nachdem er seinen geliebten Scheffel im alt­deutschen Spind versorgt hatte, papierene Butzenscheiben ans Fenster der ,, guten Stube" leimte, um sich und den Seinen ein­reden zu können, daß sie in einer Kathedrale hausten. In Öster­ reich war es das Zeitalter der ,, deutschen Orientierung" ge­wesen, und wohin diese uns geführt hatte, konnte ich nun in Dachau , unter dem gußeisernen Feldbett liegend, ausführlich bedenken.

Auch die kleineren und größeren Quälereien und Martern