GASTSPIEL IN DER HÜLLE 245

pogroms im November 1938 zweihundert Gefangene in einem Schlafraum in fünf Schichten übereinander. In Dachau waren wir nur sechzig bis siebzig in unserer Schlafstube von gleicher Größe beisammen, und die Betten waren bloß zweistöckig, wie richtige Zuchthausbetten.

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Im Untergeschoß eines solchen Sträflingsbettes durfte ich nach dem verhältnismäßigen Erholungsaufenthalt im Spital nun auch tagsüber liegen, da der Arzt großmütigBettruhe verordnet hatte. Diese Nachkur hatte ihre gute, aber auch ihre weniger angenehme Seite. Der Vorteil war, daß man von der schweren Arbeit befreit war; der Nachteil, daß man in dem leeren Schlafraum beschäftigungslos von früh bis abends hin- dösen mußte. Nicht einmal sich im Bett aufzusetzen war rätlich, da man von einem der das Lager tagsüber visitierenden Wacht- posten gesehen und eine solche Eigenmächtigkeit, seinen Krankenstand zu wechseln, durch sofortigen Entzug der Bett- ruhe gestraft werden konnte. Schreiben war nur an zwei Tagen im Monat gestattet, wenn man einen Brief immer an die gleiche Adresse zu schreiben hatte. Zeitungen gab es kaum, Bücher nur in der Lagerbibliothek, wo man sie persönlich in Empfang nehmen mußte, was dem mit Bettruhe Behafteten nicht möglich war. Was tun? Schließlich fand der Stuben- aufseher, ein rangälterer, obzwar noch ganz junger Mitgefan- gener, den wir mit einiger Übertreibung alsKorporal an- sprachen, einen naheliegenden Ausweg. Er holte die Bücher für sich und gab sie mir zum Betasten, denn lesen im Bett war tagsüber nicht erlaubt und bei Nacht nicht möglich. Trotz- dem ließ ich mir den Vorteil, daß die Buchdruckerkunst im

14. Jahrhundert von einem Deutschen erfunden worden war, im deutschen Konzentrationslager des 20. Jahrhunderts nicht ganz entgehen, ja, ich machte in der Folge sogar kühnen

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