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HITLERS GAST

ten Neulingen erfahrungsgemäß mit Unfällen; man konnte von Glück sagen, wenn man mit einer gebrochenen Hand, einem zerschlagenen Bein davonkam. Die Phlegmone endete häufig mit Blutvergiftung und Amputation brandig gewordener Gliedmaßen. Man begegnete auf Schritt und Tritt Einarmigen und Einhändern im Lager, die dann, weil sie verstümmelt waren, überhaupt nicht mehr entlassen wurden. Die Faust­schläge in den Rücken, mit denen die Blockführer die Säumigen bei der Arbeit antrieben, hatten häufig Nierenblutungen zur Folge, der Mangel an Mänteln bei dem rauhen Klima Lungen­entzündungen, Seuchen und Epidemien vervollständigten die lange Liste der ,, Füße voran", wie die Blockleiter gerne sagten, aus dem Lager Ausscheidenden. Mit dem gleichen erquicklichen Humor sagten sie, wenn man sie beim Karrenschieben um einen Strick ansprach: ,, Ja, einen Strick kannst immer haben." Der Selbstmord stand auf der Tagesordnung und gleich an einem der ersten Morgen wurden wir mit der Mitteilung geweckt, daß wir den Waschraum nicht benützen könnten ,,, was uns ja nur recht sein werde". Der Grund war, daß am Wasserleitungs­rohr ,, einer hing", wie von den erweckten Kameraden einer dem anderen zuflüsterte. Der eine, der hing, war der Gouver­neur der Österreichischen Postsparkasse, Hecht, der mit uns zugleich nach Dachau verfrachtet worden war.

Auf Grund fachmännischer Schätzung und im Jahresdurch­schnitt genommen, betrug damals die Mortalität in unserer Hölle zehn Prozent, einer von zehn also, das war mehr als der Sterblichkeitskoeffizient der Frontkämpfer im Kriege; die Feuer­linie war ein im Vergleich ungefährlicher Aufenthalt. Auch galt dies nur für Dachau , dessen hygienische Einrichtungen es zu einer Art Musterhölle machten. In dem Buchenwalde etwa, einem anderen berüchtigten Lager des lagerreichen Reiches, das mir persönlich erspart blieb, war es um vieles schlimmer. Dort lagen zur Zeit des großen Juden­

wasserarmen