GASTSPIEL IN DER HULLE

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Fall Ossiezky, mit dem ich mich freilich nicht vergleichen konnte, gerade genug zu tun und wünschte keine Überlastung seiner Lügenfabrik. Anderseits aber konnte mein Ableben in halbwegs glaubwürdiger Form nur durch mich selbst berich­tigt werden, zu welchem Zweck man meine Unterschrift be­nötigte. Um sie zu leisten, mußte meine Hand, mein Arm und somit auch ich selbst unbeschädigt am Leben erhalten werden. Mit neubelebtem Selbstbewußtsein ging ich im Lager umher wie der in Drachenblut getauchte Siegfried. Was übrigens möglicherweise sogar der Absicht meiner Pariser Freunde ent­sprach; sie hatten mich sterben lassen, um mein Leben etwas zu verlängern. Ich glaubte, sie, wenn ich nachts auf meinem Strohsack wach lag, im Finstern zu mir herüberlächeln zu sehen. Es war ein Pariser Lächeln.

Überflüssig zu bemerken, daß die von mir abgefertigten Berichtigungsbriefe nie ankamen, wovon ich mich fünf Monate später, auf der Reise nach Amerika , in Paris persönlich über­zeugen konnte. Der schäumende junge Blockführer hatte den Briefmarkenbetrag offenbar in eine schäumende Maß Bier ver­

wandelt.

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Darüber, daß Dachau ein lebensgefährlicher Aufenthalt war, konnte kein Zweifel bestehen. Die vom, Führer" in seiner Parteibibel vorgesehene ,, schwere Arbeit" war tatsächlich in vielen Fällen nur ein bedingtes Todesurteil, dessen Voll­streckung völlig vom Belieben vertierter Blockführer abhing. Allein das sogenannte, Temposchaufeln" unter Aufsicht eines ,, Capo" so hießen die mit dem Rang eines Aufsehers be­kleideten älteren Gefangenen, die uns zur Arbeit anzutreiben hatten konnte, wenn stundenlang ohne Unterbrechung durchgeführt, die stärksten Herzen zugrunde richten, von den schwachen und alten nicht zu reden. Das ,, An- der- Lori­Laufen", die im Laufschritt erfolgende Verschiebung schwerer Lasten auf improvisierten Feldbahnen endete bei den ungeüb­

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