GASTSPIEL IN DER HOLLE

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ich in der Lagergasse meinen Namen brüllen. Ich lief zur Türe, wo ein junger Blockführer, einen Fuß auf dem Randstein, den anderen auf dem Pedal seines Zweirads, pantomimisch mir bedeutete, ihm zu folgen. Er wendete, das zweite Bein nach­ziehend, um, setzte seine Maschine in Gang und ich folgte dem vor mir Radelnden im Laufschritt. Dies war die gewöhn­liche Art, wie man in die Lagerkanzlei befohlen wurde, und im Laufen mochte man darüber nachdenken, was einem dort bevorstand. Nicht alle, die so abgeholt wurden, kehrten in die Baracke zurück. Ihr Eßgeschirr wurde später abgeholt und man hörte nichts weiter von ihnen.

In meinem Fall war es nicht halb so schlimm. Ich wurde, in der Verwaltungsbaracke angelangt, in einen zellenartigen Raum mehr gestoßen als geschoben, in dem ein riesiger junger Blockführer hinter einem Tischchen mit aufgesetzter Schreib­maschine stand und mit drohendem Gesichtsausdruck auf mich wartete. Ohne die mir vorgeschriebene militärische Ehren­bezeugung zu erwidern, was nie geschah, fuhr er mich gleich im Eintreten mit den Worten an: ,, Pariser Zeitungen melden Ihren Tod!" Er schaute mich mit heraustretenden Augäpfeln anklagend an. ,, Dies scheint ja den Tatsachen nicht zu ent­sprechen", bemerkte ich zu meiner Entschuldigung.

Die Nazi haben nicht nur keinen Humor, sie fühlen sich ver­pflichtet, keinen Humor zu haben, dies aus guten Gründen, da Humor und Autorität einander ausschließen.

Der autoritäre Bengel in der kakhifarbenen Naziuniform brüllte daher, ohne von meiner Replik Kenntnis zu nehmen, nur um so aufgebrachter:

,, Und zwar sollen Sie infolge von Mißhandlungen im Lager gestorben sein! Sind Sie hier je mißhandelt worden?" donnerte er, sein Gesicht ganz nah an das meine heranschiebend.

,, Ich? Nie!" versicherte ich treuherzig im Brustton der Über­zeugung, obwohl noch atemlos vom Nachlaufen.

16 Verlorene Zeit