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HITLERS GAST

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gewesen, und es wieder zu erlangen, war merkwürdigerweise auch eines. Ich lag, nicht mehr im Sträflingsgewand, unter einer blau- weiß gewürfelten Decke in einem richtigen Bett, ohne ein zweites Bett über mir zu haben und mit nur zwei Dutzend anderen Betten im gleichen Raume. Niemand lärmte, niemand schrie, alle meine Nachbarn lagen still auf dem Rücken und atmeten leise und aufmerksam, nur einer stöhnte, dem man, wie man mir nachher erzählte, beide Beine amputiert hatte. Auch mein Lagerfreund, der Vizepräsident des Wiener Straf­gerichts, war operiert worden, an einer Phlegmone, der eigent­lichen Lagerkrankheit, die aus einer Verunreinigung kleinerer Wunden, zumal an den Händen eine natürliche Folge der ungewohnt schweren Arbeit nur allzu leicht entstand. Der Eingriff war bei ihm viel schwerer gewesen und er lag noch lange in voller Bewußtlosigkeit, während ich bereits den Kopf rühren konnte und den aus der Küche herüberdringenden bele­benden Essensgeruch nicht ungern einsog. Ich empfand nicht den geringsten Widerwillen, ins Dasein zurückzukehren, wenn­gleich ich mich der Erwägung nicht verschließen konnte, daß es vielleicht noch reizvoller gewesen wäre, die Bewußtlosigkeit ins Unendliche fortzusetzen. Was ich durchgemacht hatte, war wie eine Generalprobe des Sterbens gewesen und ich wußte die Er­fahrung ein für allemal zu schätzen. Wenn man etwas in einem deutschen Konzentrationslager lernen konnte, so war es, den Tod zu verachten.

Ich bin dann während meines fünfmonatigen Aufenthaltes in Dachau noch einmal gestorben, und das war noch vergnüg­licher. Die Nebenumstände meines Ablebens, die ich in Amerika als lecturer wiederholt zum besten gab, scheinen mir noch in der Erinnerung erheiternd.

An einem Samstagnachmittag in der Baracke eben mit Fensterputzen beschäftigt, einer Art Erholungsarbeit, die den arbeitsfreien Stunden am Wochenende vorbehalten blieb, hörte