GASTSPIEL IN DER HOLLE

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freundlich vor und stellte sogar während der Untersuchung ein paar Fragen, wie dies Ärzte tun, um den Patienten nicht auf­zuregen, was hier freilich kaum zu vermeiden war. Als ich er­wähnte, daß mein Herzdefekt bei allen militärischen Muste­rungen anerkannt worden wäre, sagte er entgegenkommend: ,, Wird auch hier anerkannt." Meine daran anknüpfende Bitte jedoch, mich von ganz schwerer Arbeit zu befreien, wurde mit halbem Lächeln achselzuckend abgelehnt: ,, Dachau ist kein Sanatorium!" Er legte das Stethoskop weg und im gleichen Augenblick wurde ich gewahr, daß der nette, junge Mann unter seinem auseinanderflatternden weißen Ärztekittel Kano­nenstiefel trug und einen Revolver im Gürtel seiner schwarzen SS- Uniform.

Derselbe junge Arzt operierte mich drei Wochen später in demselben Fensterwinkel seines Ambulatoriums. Infolge von Kreislaufstörungen, wie er amtlich feststellte, hatten sich so schwere Wassersuchtsymptome herausgebildet, daß ich nur darauf aufmerksam zu machen brauchte, um sofort in den Krankenstand übernommen zu werden. Nach achttägiger Bett­ruhe in der Baracke machte eine sich entwickelnde Beinhaut­entzündung an beiden Extremitäten einen chirurgischen Ein­griff notwendig. Der Zusammenhang mit dem mir verweiger­ten Schonungsschein lag auf der Hand und nur die völlige Gleichgültigkeit eines Dachauer Sträflings gegen das eigene Ableben konnte mich davon abhalten, auf ihn aufmerksam zu machen. Übrigens hätte eine derartige Beschwerde, wenn über­haupt zulässig, auf den schneidelustigen Doktor, der an meinem bewußtlos gemachten Leichnam sich im Operieren üben wollte, schwerlich Eindruck gemacht und höchstens meine nachherige Bestrafung zur Folge gehabt.

Die Operation selbst mit allem, was sie zur Folge hatte, gehört wiederum zu meinen angenehmeren Dachauer Erinne­rungen. Schon das Bewußtsein zu verlieren, war ein Vergnügen