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HITLERS GAST

den, während wir uns längs der Barackenwand verkrümelten. ,, Seit gestern", erwiderte ich, und, um an Höflichkeit nicht hinter ihm zurückzubleiben: ,, Und du? Wie lange bist du hier?" ,, Seit drei Jahren", schnaubte er abgewandten Blickes, damit es der den Wagen umkreisende ,, Capo" nicht merke. Dann aber, nach ein paar Schritten, wandte er sich noch ein­mal zurück, mit einem totenschädligen Grinsen sich an meiner Verlegenheit weidend.

Nach geraumer Wartezeit ins Innere der Spitalsbaracke ein­gelassen, durften wir dort in einer Art Vorraum des an­schließenden Ärztezimmers und Operationswinkels, dessen nähere Bekanntschaft ich bald genug machen sollte, weiter warten. Eine gespenstisch buntscheckige Schar maroder Gefan­gener, glotzäugig mit entmenschten Gesichtern, quirlte da durch­einander. Sie gehörten ausnahmslos den bereits älteren Jahr­gängen an, was man daran merkte, daß sie nicht wie wir die grau- blau gestreifte Sträflingsuniform trugen, sondern ihre Blöße, oft nur teilweise, in abgerissenen bunten Flicken ver­hüllten, die ihnen etwas Harlekinhaftes verliehen. Viele waren verstümmelt und verbunden oder sie hatten, eine Folge des Sonnenbrandes, ekle Blasen auf den geschorenen Köpfen, die, mit Jod bestrichen, später in allen Farben des Regenbogens an­liefen. Es ließ sich ermessen, daß auch wir bald genug solche Köpfe und verschwollene Gesichter haben würden. ,, Tat- twam­asi" ,, Das bist du!" sagt der Buddhist. Es war etwas be­klemmend, in diesen Spiegel der eigenen Zukunft zu blicken. Der Arzt erschien und durchquerte im Schnellschritt die auf­geschreckte Sträflingsschar, die in ihren Lumpen Habt Acht stand. Es war ein netter, junger Mann ohne besondere Schreck­haftigkeit, nur mußte man, wenn man antrat, ihm den eigenen Namen laut ins Gesicht schreien, wie uns die Sanitäter belehr­ten, sonst, sagten sie,, flog man gleich wieder heraus." Ich brüllte, so gut ich konnte, und mit Erfolg; er nahm mich

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