GASTSPIEL INDER HOLLE 237

meinen Kopf hinweg mit einem leichten Bildungsseufzer:Wer über. gewissen Dingen den Verstand nicht verliert, hat keinen zu verlieren wie Maria Stuart sagt!Nein, warf ich, an meinem Brocken kratzend, bescheiden ein:Nicht Maria Stuart , sondern Lessings Gräfin Orsina. Es stellte sich heraus, daß ich recht hatte, und seither hatte ich bei dem jungen Mann einen Stein im Brett, was für mich um so ersprießlicher war, als ich eigentlich in ein anderes, härteres Arbeitskommando gehörte und mich in den Orden der Ziegelschmiede nur so hineingeschwindelt hatte. Ich durfte von nun ab wochenlang von früh bis abends Ziegel klopfen, dank meiner guten Burg- theater-Erziehung, die mich mit den klassischen Zitaten ver- traut gemacht hatte.

Bei alledem und trotz dem mitgebrachten Restchen guten Humors war es aber doch eine Hölle, was mit Erschrecken zu merken ich gleich am zweiten Tage Gelegenheit hatte. Es war ein Sonntag und wir standen vor der Spitalsbaracke, dem so- genanntenRevier, der Überprüfung unseres Gesundheits- zustandes durch den Arzt gewärtig, als ein schwerbeladener Wagen durch die enge Lagergasse heranschwankte, Aber was für ein Wagen war das! Er wurde nicht von Pferden gezogen und noch weniger von einem Motor getrieben, sondern wie zur Pharaonenzeit von einem Sklavenhaufen weiterbewegt. Die Arbeitssklaven, die ihn von allen Seiten vornübergeneigt um-

schwärmten, gingen teils wie gutabgerichtete Zugtiere vorn an der Deichsel, teils schoben sie seitlich an eigens hiezu an- gebrachten Stangen mit der Brust, teils von hinten mit vor- gespreizten nackten Armen, und das Schreckliche war, daß sie alle unsere eigene, gestreifte Sträflingstracht trugen, also offen- bar unsere Kameraden waren und wir die ihren.Seit wann bist du da? fragte mich einer der seitlich Vorüberstampfen-