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kanerin, die das Herz am rechten Fleck hat, und die, obwohl sie wie der Verfasser des Drehbuchs nie in Europa war, sich im Konzentrationslager auskennt, als ob es ihr Handtäschchen wäre. Sie durchschneidet die Stacheldrahteinfassung des Lagers mit ihrer Nagelschere, bietet den neugierig zusehenden Wachtposten vergiftete Schokolade an, verdingt sich als Nurse im Lagerspital, begeht Selbstmord, nachdem sie den Chefarzt verrückt gemacht hat, wird im plombierten Sarg mit ausgestemmtem Hakenkreuzmuster über die Grenze geschmuggelt, aber da man den Sarg, der verdächtig nach Parfüm riecht, jenseits der Grenze öffnet, springt nicht sie, sondern ein Mann heraus, den sie immer schon geliebt und auf diesem schlauen Umweg aus Dachau befreit hat. Sie selbst kommt erst etwas später angeflogen, in einem amerikanischen Bomber und in Gesellschaft des Dachauer Lagerkommandanten, den sie zur Demokratie bekehrt hat.
Das wirkliche Dachau war in erster Linie ein farblos ödes Militärlager; in zweiter eine Strafkolonie, und erst in dritter, im Zusammenhang damit, ein Garten der Qualen.
Die Quälerei begann in dem Augenblick, da wir in unserem ,, Grünen Heinrich", wie man in Wien die fensterlosen Gefangenenwagen nennt, in die Nacht hinaustaumelten. Wir waren seitlich beim Westbahnhof vorgefahren, etwas außerhalb des eigentlichen Bahnhofs, wo keine Lichter mehr brannten. Während wir mit Nackenschlägen und Rippenstößen in den bereitgestellten Zug getrieben wurden, sahen wir die Gesichter nicht, die zu den geschwungenen Armen und Fäusten gehörten, so finster war es rundum.
Aber die eigentliche ,, Nacht der Nächte", wie ich sie stumm für mich selber taufte, begann erst nach der Abfahrt. Wir saßen in einem niederen, käfigartigen Dritte- Klasse- Wagen eines ausgemusterten Lokalzuges auf zwei quergestellten Holzbänken, je vier von uns auf jeder Seite. Der enge Raum hatte


