nn
228 HITLERS GAST
Ziel der von ihm vermuteten Reise unerwähnt, und auch wir übergingen es mit Schweigen. Nur am Abend vorher, als wir auf unserer Holzpritsche lagen, hatte es einer von uns aus- gesprochen. Es war der Landesführer.. der Österreichischen „Sturmscharen‘“, den ich leise gefragt hatte, was uns seiner An- sicht nach für den nächsten Tag bevorstünde. Er antwortete mit einer Raschheit, die auf eine gründliche Vorbereitung schließen ließ:„Es gibt sechs Möglichkeiten. Die günstigste wäre unsere Ablieferung an das Strafgericht. Die schlimmste ist— Dachau .“
Das deutsche Konzentrationslager ist oft beschrieben worden, sogar von Schriftstellern und Nichtschriftstellern, die es aus eigener Erfahrung kannten. Die meisten unter ihnen schreiben mit Schaum vor dem Mund, aber einer trockenen Feder. Welchen Sinn hat es aber, wenn man von einer Menschen- fresserinsel kommt, den Menschenfressern schriftlich Vorwürfe zu machen, daß sie diesem abscheulichen Laster huldigen und tatsächlich Menschenfresser sind, sich als ein dort Gescheiterter darüber aufzuregen, daß es Menschen gibt, die Menschen fressen. Viel aufschlußreicher wäre es, zu erfahren, wie sie sich dabei anstellen und, wenn die verrufene Insel in Deutschland liegt, wie die Menschenfresserei bei ihnen organisiert ist.
Noch weniger kann der Dachauerroman und der Dachauer - Movie-Kitsch der Nachwelt ein wahrheitsgetreues Abbild der Dachauer Wirklichkeit vermitteln. Beide Gattungen sind in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle fabrikmäßig hergestellte Mystery- und Magazinstories, an denen ein kundiger Verleger seine helle Freude hat, weil sie dem Detektivroman neue, schauerliche Reize abgewinnen. Eine synthetisch hergestellte Papiermachehölle wird da zum Paradies eines Hollywooder Moviestars. Die Heldin ist eine unentrinnbar schöne Ameri-


