224 HITLERS GAST

weg einschlug, sagte mir ein verständiger Gastfreund in Zürich , in dessen Haus ich zusammen mit dem österreichischen Generalkonsul zu Abend:Warum wollen Sie morgen nach Österreich zurück? Sie kommen in einen Bürgerkrieg!Das mag sein, erwiderte ich,aber schließlich ist man doch irgend- wo zu Hause! Ein neues Stück von mir, das im Burgtheater vorbereitet wurde, bestimmte psychologisch dieses imaginäre Zuhause.

Die einzige Entschuldigung für meine alberne Lesebuch- antwort mag sein, daß in jenem Augenblick Millionen Öster- reicher ebenso dachten. Wir glaubten an die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der österreichischen Unabhängigkeit und hatten Ursache, an sie zu glauben. Die großen westlichen Demokratien hatten unsere staatliche Selbständigkeit wieder- holt feierlich verbürgt. Hitler selbst hatte auf jedwedeEin- mischung in die inneren Angelegenheiten Österreichs ein für allemal verzichtet und diesen Verzicht durch seine Unterschrift beglaubigt. Mussolini , von der anderen Seite, war auf dem Brenner zu unserem Schutz aufmarschiert und würde dies gegebenen Falles wohl wieder tun. Man wußte, daß er das Land Österreich ,das Gott lieb gehabt, wie Wildgans in einem schönen Gedicht versicherte, als Nachbar seiner Ungefährlich- keit wegen vorzog. Warum hätten wir zweifeln sollen? Die Frommen vertrauten auf Gott und die noch Frömmeren auf denDuce. Dazu kam die von Schuschnigg nach einer Ver- ständigung mit der Arbeiterpartei beschlossene Volksabstim- mung. Daß diese Abstimmung am 13. März zugunsten der österreichischen Unabhängigkeit ausgefallen wäre, beweist das Einrücken der Nazi am 11. März. Wäre Österreich wirklich nationalsozialistisch gewesen, wie seine Gegner, auch im Aus- land, behaupteten, welches Interesse hätte das Reich gehabt, eine geheime Abstimmung, die dies bestätigt hätte, hintanzu- halten?