REPUBLIK BIS AUF WEITERES

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Zu dem, was man, allseitig mißvergnügt, die neue Zeit nannte die schon wieder neue Zeit, hätte Schnitzler gesagt suchte und fand dieser Dichter, der wie Galsworthy auch ein Gesellschaftskritiker war, erst in seinem letzten und bitter­sten Werk ,, Therese" einen verspäteten Zugang. Anton Wild­ gans , der letzte große österreichische Lyriker nach Rilke , schuf in seiner herrlich marschierenden, Infanterie" etwas wie die Marseillaise der noch bürgerlichen Welt. Andere machten und versuchten anderes, nach Maßgabe ihrer dichterischen und darstellerischen Mittel. Die meinigen waren diejenigen der ,, Lustspielnovelle", wie ich die Gattung für den eigenen Gebrauch benannt hatte, und ich erprobte ihre komödienhaften Möglichkeiten in mehreren längeren Erzählungen und kürzeren Romanen, die den sich auflösenden Zügen der Wiener Gesell­schaft eine Art Spiegel vorhielten oder auch nur eine Spiegel­scherbe; es war ja alles zerbrochen in diesen zerrütteten und haltlos bekümmerten Tagen und Jahren, die die Traurigkeit des Krieges mit der vielleicht noch empfindlicheren Traurig­keit der Nachkriegszeit besiegelten.

Die traurigste Rolle in der Gesellschaft, die als mein eigent­lichstes Beobachtungsgebiet mir zuzubilligen man überein­gekommen war, spielten die alten Leute, die an das, was nun werden sollte, mit dem besten Willen nicht glauben konnten, und an dem, was war, verzweifeln mußten. Von dem recht­zeitig eingeführten ,, Mieterschutz" zumindest vor der Delo­gierung geschützt, kamen sie in ihren muffigen Wohnungen und abgetragenen Kleidern nach wie vor zusammen, um sich von ihren alten Freunden, von denen einer immer reaktionärer war als der andere, mit ihren verschossenen Titulaturen anreden zu lassen und sie ebenso anzureden. Viele waren adelig, was gesellschaftlich weiter anerkannt wurde, obwohl der Adel offi­ziell abgeschafft war; andere ließen sich als ehemalige Minister, Feldmarschälle und Admirale nach wie vor Exzellenz nennen,