REPUBLIK BIS AUF WEITERES

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gerufen worden war. Bezeichnenderweise starb der humane und kluge Viktor Adler , der die Sozialdemokratische Partei in Österreich geschaffen hatte, fast gleichzeitig. Er sollte den Tag der Erfüllung nicht mehr erleben. Hätte er ihn überlebt, würde er manches miẞbilligt haben, was in den folgenden Jahren in seinem Namen geschah, und der Justizpalast wäre kaum in Flammen aufgegangen.

Zweite Periode: Von 1927 bis 1934, dem Zeitpunkt der soge­nannten Roten Revolte, die dem von Mussolini großgezogenen und genährten Kleriko- Faschismus den ersehnten Vorwand bot, die Demokratie in Österreich zu brechen. Was ihr vorangegan­gen war und was in der dritten Periode durch ein Blutbad er­frischt nachfolgte, war der aussichtslose und unfaẞbar kurzsich­tige Versuch, Demokratie und Nationalsozialismus gleichzeitig zu bekämpfen, statt sich mit dem Volke gegen den schlimmsten Feind der österreichischen Unabhängigkeit zu Unabhängigkeit zu verbünden. Schuschnigg , persönlich ein achtbarer Mann mit den reinsten Absichten, den sein Sturz sympathischer machte, als er im Grunde war, hatte niemand hinter sich als den halb, wenn nicht dreiviertel faschistischen Heimwehrverband und einen kleri­kalen Klüngel österreichischer Reaktionäre, den, als es zum Klappen kam, Hitler mit einer Hand hinwegfegte. Wien fiel, Österreich , das sich jetzt, um sieben Jahrhunderte zurückgewor­fen, wieder Ostmark nennen mußte, trank sich einen wilden nationalsozialistischen Rausch an, und als es aus dem nach­folgenden Katzenjammer erwachte, ward es unter Donner­schlägen inne, daß sich Europa rundherum in ein brennendes Krematorium verwandelt hatte. Es wird geraume Zeit dauern, eh sich diese ungeheure Brandstätte kulturell neu begrünen wird.

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Die Umwertung aller Werte", die der genau genommen von allen verlorene Krieg nicht nur auf valutarischem Gebiet zur Folge hatte, ließ die Literatur nicht unberührt, doch trat