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In dem lieblichen Kreuznach, dessen verschlafene Atmosphäre einer zur Unzeit aus ihrem Winterschlaf aufgeschreckten Badestadt mich mehr an Österreich als an Preußen erinnerte, hatten wir vor allem ein unangenehm förmliches„ Zweckessen", so nennt man derlei Zusammenrottungen in Deutschland , abzusitzen, bei dem es nur Stabsoffiziere und Würdenträger in Uniform gab, so daß es mir wie eine Fortsetzung des vorgestrigen feldgrauen Theaterabends erschien. Übrigens wurde es so plötzlich abgebrochen, daß die Löffel in dem noch ungegessenen Eis steckenblieben. Dann wurden wir zu viert in die im Dunkeln eines nach dem anderen heranzischenden Automobile gedrängt, die, wie Geschosse mit donnernden Geräuschen abgelassen, durch die rabenschwarze Nacht flogen, um uns wenige Minuten später vor einer innen hell erleuchteten Villa abzuladen. Der aus der Eingangstür hervorquellende Lichtschein war fast gänzlich durch einen schattenhaften Riesen verdrängt. Es war Hindenburg , der, in der Tür stehend, jeden von uns mit einem warmen Händedruck und aus der Tiefe aufrasselnden Kehllaut gewissenhaft begrüßte. Er war so schrecklich groß und plump, daß wir, während er uns wie Zwerge an der Hand faßte, das unbehagliche Gefühl hatten, es geschähe nur aus purer Gutmütigkeit, daß er nicht jeden von uns zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetschte. Auch sein orgelnder Baß war mehr der Stimmlaut einer automatischen Märchenfigur als der eines Menschen von durchschnittlich irdischer Herkunft. Er sprach wie aus einem Faß und es lag nahe, dabei an das auch örtlich nahe Heidelberger Faß zu denken, dessen Ausmaße legendär sind. Dabei plauderte er, mit uns an einem mächtigen kreisrunden Tische sitzend ein zweiter gleichgroßer Tisch wurde von Ludendorff beherrscht, ganz gemütlich in beinahe onkelhaften Tönen. Er erzählte von seinen fernen Leutnantsjahren, und daß er damals, im Krieg von 1870, bei Laon , ganz nah der jetzigen Front, die Feuertaufe empfan
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