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ANFANG VOM ENDE UND ENDE VOM ANFANG

,, Aber geh weiter!" meinte der Kaffeesieder munter. Jedoch der andere schien zu Scherzen wenig aufgelegt und beharrte stirnrunzelnd auf seiner Abgeschiedenheit. Um sie zu beweisen, holte er aus dem Kappenfutter einen Brief hervor, der vorne seine eigene Wiener Adresse trug und rückwärts den postamt­lichen Vermerk: Adressat tot."

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,, Adressat bin ich", erklärte der Lehrer mit einem unver­kennbar bitteren Zug um den Mund.

Die Sache war die, daß man ihn in Nisch mit einem Spitals­kollegen, der an Flecktyphus starb, verwechselt hatte und das Regiment in diesem Sinne verständigte. Infolgedessen gingen die für ihn noch einlangenden Briefe so lange nach Wien zu­rück, bis man aufhörte, an ihn zu schreiben. Er selbst konnte auch nicht mehr schreiben, zuerst des Kopfschusses wegen und dann, weil er wegen des überstandenen Flecktyphus in Quaran­täne lag. Zu jener Zeit erfuhr er aus einer nicht für ihn be­stimmten Mitteilung, die ein Zimmergenosse im Spital erhielt, daß seine Stelle in der Schule bereits besetzt wäre und daß seine Frau Trauerkleider trug. Sobald es ihm erlaubt war, legte er gegen die Voreiligkeit Verwahrung ein, wobei er nicht verab­säumte, die Briefe eingeschrieben abzuschicken. Trotzdem kamen sie alle als unbestellbar an ihn zurück, und als er schließlich verzweifelt an sich selber unter seiner Wiener Adresse schrieb, flog ihm auch dieser Brief, wie ein ausgesandter Bummerang, gefügig wieder zu. Adressat tot, stand unter dem Amtsstempel. Seither wagte er diesen Tatbestand nicht länger zu bezweifeln. ,, Ich bin nun einmal tot", verdeutlichte er dem verwundert auf­horchenden Lagerkameraden: ,, Meine Frau ist meine Witwe... Dabei waren wir alles in allem nur drei Jahre verheiratet."

Er war ein kleiner magerer Mann mit stark vortretendem Adamsapfel, der sich jetzt in dem strickähnlichen Halse beküm­mert auf und ab bewegte. Es konnte aber auch von der Maul­beere sein.