DER NOVELLIST MELDET SICH ZUM WORT

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Ich weiß, was mir bevorsteht, wenn sie mich festnehmen und sie werden mich spätestens heute festnehmen. Ich will dem gnädigen Herrn und auch mir selbst diese Schande lieber er­sparen. Darum hab' ich meinem Leben selbst ein Ende ge­macht. Ob dort oder da, ist ja schließlich alles eins. Und hier sterb' ich doch wenigstens unter Blumen. Der gnädige Herr soll mich nicht bedauern. Anton.

PS. Die Chrysanthemen werden schlecht blühen in diesem Jahr, weil die Erde so schwer ist. Mein Nachfolger muß mehr Asche hineinmischen."

Der Zug hielt, ohne daß wir es bemerkt hätten, und als ich nun, nach beendigter Lektüre, das Schreiben meinem Fahrt­genossen wortlos zurückgab, stand dieser, hochaufgerichtet, mit wieder umgeschnalltem Säbel, die Kappe tief in die Stirn gedrückt, in soldatischer Haltung vor mir.

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Was wollen Sie tun?" fragte ich, während er den Brief ver­sorgte.

,, Einen Ersatzmann stellen!" sagte er einfach: ,, Das Vater­land hat einen Soldaten verloren, ein anderer löst ihn ab!" ,, Sie wollen doch nicht-? Ein Mann in Ihrem Alter!" ,, Mein alter Freund, der Feldmarschalleutnant, wird's schon möglich machen. Ich fahr' jetzt gleich zu ihm, er soll mich irgend­wo einteilen. Aber ganz vorn muß es sein, so daß ich ihnen in die Augen sehen kann, diesen diesen Blumenmördern!" Er salutierte, klirrte mit den Sporen und entschwand mit martialischen Schritten im schattenhaften Bahnhofgedränge.

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Übrigens scheint der alte Pazifist mit dem Militärverdienst­kreuz seinen Willen tatsächlich durchgesetzt zu haben. Denn ein halbes Jahr später, noch im Krieg, als ich an seinem kleinen