DER NOVELLIST MELDET SICH ZUM WORT
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treten. Ich suchte ihn in den Gewächshäusern, im Kalthaus zuerst, dann auch im eigentlichen Glashaus. Aber ich konnte ihn auch hier, als ich von außen hineinschaute, nicht erspähen. Mein Rufen blieb unbeantwortet.
Es fiel mir auf, daß die Blattpflanzen und Palmen alle auf einem Platz dicht zusammengerückt waren, was mir gleich nicht geheuer vorkam. Auch fand ich das Gewächshaus bedenklich überheizt. Darin lag eine Übertretung der neuen Kohlenvorschriften und ,, Anton! Anton!" rief ich ärgerlich. Nichts rührte sich in der mich umgebenden widerlichen Schwüle.
Und dann plötzlich stand ich vor ihm. Hinter den Orchideen, Azaleen und Chrysanthemen, umgeben von einem Wall von blühenden Gewächsen, lehnte er mit dem Kopf gegen den Kübel eines Orangenbaumes, geschlossenen Auges und behaglich ausruhend inmitten des von ihm vorher genußsüchtig überheizten Raumes. Doch konnte ich ihn wegen der Nichtbeachtung unserer neuen Kriegsvorschriften unmöglich mehr zur Verantwortung ziehen. Ein ausgeschossener Revolver lag neben seiner herabgesunkenen Hand und darunter ein Brief dieser Brief."
Der alte Leutnant hatte das früher eingesteckte Schriftstück wieder aus seiner Blusentasche hervorgeholt und reichte es mir schweigend. Ich las:
"
Gnädiger Herr!
Ich bin gewiß kein Feigling, das kann die große Silberne auf meiner Brust bezeugen. Im Krieg zu sterben, daran wär' mir wenig gelegen gewesen; aber im Krieg zu leben, dem war ich auf die Dauer nicht gewachsen.
Ich hab' immer nur mit Blumen gelebt, das verdirbt einen Menschen. Der Umgang mit der Pflanzenwelt verfeinert uns, beraubt uns der zum Leben unumgänglichen Brutalität, macht uns wehrlos gegen den Schmerz. Der Krieg aber ist ein rechter Blumenmörder.
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