158 ANFANG VOM ENDE UND ENDE VOM ANFANG

DER BLUMENMORDER Eine Geschichte aus dem vorigen Krieg

Der alte Herr, der bei der StationWaldmühle eingestiegen war, kam mir gleich irgendwie bekannt vor. Er hätte sich aber meine Aufmerksamkeit auch erzwungen, wenn er mir fremd gewesen wäre.

Man denke sich einen stattlichen Greis mit einem Eiszapfen- bart und Silberschläfen, der eine schmucke Leutnantsuniform trägt, einen pelzverbrämten Waffenrock, Ledergamaschen und Sporen. Großpapa als Subalternoffizier, der Anblick wirkte einigermaßen verwunderlich, sogar damals noch, im dritten Kriegsjahr.|

Der schneidige alte Herr benahm sich zudem ziemlich auf- fallend. Er schien ein unruhiger Patron zu sein oder aus irgend- einem Grunde sehr erregt. Denn er sprang auf, kaum daß er Platz genommen hatte, setzte sich wieder, rückte hin und her, schloß die Augen, öffnete sie und zog entschlossen einen Brief aus der rechten Blusentasche, um ihn ungelesen in die linke zu versenken. Dabei sagte er mit großer Entschiedenheit: Jawohl! und sonst nichts.

Ich schaute von meinem Buche auf und betrachtete den auf- geregten Fahrgast, der jetzt zum Fenster hinausstarrte, etwas genauer. Er hatte es sich bequem gemacht, den Säbel abge- schnallt, die Ulanka aufgeknöpft. Nun streifte er, mit einer höchst unmilitärischen Handbewegung, die Kappe von seinem erhitzten Charakterkopf, den ein aufgeregter weißer Haar- schopf krönte. Auf der hohen Stirn saß eine eingetiefte Knochen- narbe. Daß sie aus einem früheren Kriege stammte, schien das Militärverdienstkreuz an seiner Brust zu bescheinigen.

Ich hatte mein Buch beiseitegelegt, unsere Blicke kreuzten sich. Wir waren allein in dem winzigen Abteil der kleinen Lokalbahn, die uns, schnaufend durchs Gelände laufend, der