DER NOVELLIST MELDET SICH ZUM WORT 159

nach Wien führenden Hauptstrecke näherschüttelte. Alle Bahn- körper waren bereits ausgeleiert infolge des langwährenden Krieges.

Plötzlich begann der alte Herr zu reden:Sie erkennen mich wohl nicht mehr in meiner Verkleidung? sagte er.

Verkleidung? Ich war förmlich erschrocken über den respektlosen Ausdruck in so ernster Zeit.

Er lächelte entschuldigend.Verzeihen Sie den unmilitäri- schen Ausdruck, den ich als ehemaliger Berufsoffizier am wenig- sten verantworten kann. Aber ich komm mir nun einmal wie verkleidet vor, seit zwei Stunden. Wenn man dreißig Jahre lang Zivilkleider getragen hat und vierundsechzig ist... Ich seh wohl aus wie ein Grundwächter, wie?

Nicht im geringsten, im Gegenteil, versicherte ich mit ehr- lichem Respekt. Übrigens hatte ich den Eindruck, daß er sich aus irgendeinem Grund etwas jünger machte als er war.

Na... Jedenfalls werd ich mir den Bart und die Haar scheren lassen, bevor ich mich zu Seiner Exzellenz begebe. Ich bin nur in der Aufregung noch nicht dazugekommen.

All das klang vertraulicher, als man einem Fremden gegen- über ist. Aber woher?

Der alte Herr bemerkte meine Verlegenheit und kam meinem Gedächtnis zu Hilfe.Schramm, sagte er, sich vorbeugend und offiziersmäßig mit den Sporen klirrend.

Oh, Herr von Schramm! Natürlich! Und wir schüttelten einander die Hand.

Es war allerdings schon einige Zeit her, fünf Jahre vielleicht, seitdem ich damals, auf einem Ausflug und in Gesellschaft eines gemeinsamen Freundes, das kleine, sonnenblumengelbe Schloß und seine reizenden Gartenanlagen besichtigt hatte, Einige Tage später gab Schramm, höflichkeitshalber, seine Karte bei mir in meiner Stadtwohnung ab, und es kam mir nun nach- träglich wieder in den Sinn, daß ich mich schon damals über