GEWITTER ÜBER OSTERREICH

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Und doch, trotz aller schnöden Witze, die das Volk und die Geschichte machten, wird auch der Nichtösterreicher sich einer gewissen Rührung nicht erwehren können, wenn er mit Achtung, ja mit Bewunderung die Zeiteinteilung des letzten Tages dieses Herrschers liest, der sich zum Sterben kaum Zeit nahm. Den ganzen Morgen noch saß er fiebernd an seinem Schreibtisch, überlas seine Akten und empfing Meldungen und Besuche. Um zehn Uhr kam seine Tochter Valerie, unangemeldet. Ihrem frommen Gemüt blieb es vorbehalten, ihn schicklich auf das Bevorstehende vorzubereiten. Sie überbrachte ihm den tele­graphisch eingetroffenen Segen des Papstes, worauf der Uralte sofort das Nötige veranlaßte, indem er den Burgpfarrer kommen ließ und sein Gewissen reinigte. Dann wurde weitergearbeitet und das Mittagessen, wie seit unvordenklichen Zeiten, am Schreibtisch serviert. Es bestand aus einer Suppe, die auszu­löffeln er keine Lust mehr hatte. Das Fieber stieg und er ließ sich, von seiner Tochter gestützt, zu Bett bringen. Es war kein weiter Weg, gerade nur in das angrenzende kleine Zimmer, und das Bett war sein gewöhnliches eisernes Feldbett, in dem er seit seiner Jugend schlief. Als ihn sein treuer Diener entkleidete, sagte er noch, von seinem Gewissen beunruhigt: ,, Wecken Sie mich morgen um halb vier. Ich bin stark im Rückstand." Er ließ sich zum Sterben wie zur Jagd wecken. Aber diesmal fuhr ihm der Rehbock ab, bevor er ihn umlegen konnte. Die letzten Akten blieben unerledigt, und der Friede kam nur für ihn, der den Krieg, obzwar widerwillig, verschuldet hatte. Vielleicht hat er auch das dem Burgpfarrer in jener letzten Unterredung noch

anvertraut.

Wir waren jetzt im dritten Jahre des großen Völkerringens, und ein Ende war um so weniger abzusehen, als die militä­rischen Erfolge auf den weit ausgedehnten Kriegsschauplätzen