GEWITTER ÜBER OSTERREICH

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Das war das Urteil Wiens über die Schlacht an der Marne , noch bevor das ,, Wunder" ein Wunder geworden war. Der Wiener , nichts weniger als wundergläubig, ließ sich bei aller Bündnistreue nichts vormachen von der Geschichte, die er in Witzworten selber schrieb. Was ihm fehlte war nur, daß er aus einem richtigen Urteil den richtigen Schluß zog. Womit es zusammenhängen mag, daß der witzige Gesellschafter, dem ich dieses prophetische Wort verdanke, vier Jahre später, als der Krieg endgültig verloren war, sich in einem Schweizer Sana­torium an seinem Hosenriemen erhängte.

Was die französische Geschichte später ,, das Wunder an der Marne " nannte, und was das zynische Wien vorwegnahm, er­fuhren die wundergläubigen Österreicher, und das war immer­hin die überwältigende Mehrheit im Lande, erst nach Jahren. Zunächst sorgte, wie gewöhnlich, eine luftdichte deutsche Zensur dafür, daß die Wahrheit nicht zum Vorschein kam. Allerdings war es ausschließlich die Wahrheit im Westen, der dieser bundesbrüderliche Schutz zustatten kam, denn die Mißerfolge im Osten, die Österreich zu verantworten hatte, wurden nicht so ängstlich verheimlicht. Die defensive Leistung Österreichs , die darin bestand, daß es mit einer Armee von Reservisten und Landwehrregimentern den Karpatenwall einen Winter lang heldenmütig hielt, wurde kaum gewürdigt. Es wurde immer nur von Hindenburgs Tannenberg geredet, einer allerdings klassischen Feldherrnleistung, die nur leider bei wachsender Volkstümlichkeit des siegreichen Heerführers die Hindenburg­Ludendorffsche Militärdiktatur und die grauenhafte Geschmack­losigkeit des Eisernen Hindenburg" im Berliner Tiergarten zur Folge hatte. Wien hielt sich mit dem auf dem Schwarzen­bergplatz in einem Hüttchen untergebrachten, Eisernen Wehr­mann" in bescheidenen Grenzen, die Begeisterung war hier