148 ANFANG VOM ENDE UND ENDE VOM ANFANG
Eitelkeit die Häßlichen die von Natur schönen Menschen oft sogar übertreffen und dies aus zwei einleuchtenden Gründen: Einmal, weil sie sich selbst trotz ihrer Widerwärtigkeit restlos gefallen, und dann auch, weil sie klug genug waren, ihre körper- liche Unterwertigkeit rechtzeitig in geistreiche Überlegenheit zu verwandeln. Sie siegen schließlich, nicht weil, aber obwohl sie häßlich sind, was noch viel süßer ist. Ein witziger italie- nischer Lustspieldichter hatte aus diesem Charaktervorwurf ein lustiges Stück gemacht, das in jenen Jahren unmittelbar vor dem Krieg erfolgreich auch über die Wiener Burgtheaterbühne segelte. Mein hochgestellter Freund hatte nicht nur bei der Premiere, mit mephistophelischer Grimasse um sich blickend, dem Darsteller des„Häßlichen Ferrante‘“— so hieß das Lust- spiel— begeisterten Beifall gespendet(und ihn zum Mittag- essen eingeladen), sondern war auch in späteren Aufführungen wiederholt gesehen worden, so sehr interessierte es ihn.
An jenem Abend nun, Ende August 1914, als es in Galizien schiefging und man in Wien angesichts der herandrängenden Russengefahr bereits die Übersiedlung des Hofes irgendwohin — aber wohin?— in flüsternde Erwägung zog, kreuzte ich unter den gewitterhaft rauschenden Baumkronen der mächtigen Ringstraßenallee den Schlenderweg dieser stadtbekannten und vielberedeten Wiener Gesellschaftsfigur, die Exzellenz*** war. Er bestand darauf, daß ich ihn ein Stück weit begleite, und nahm die Gelegenheit wahr, ohne weitere Einleitung ein Witz- wort zu sprühen, für das er augenscheinlich einen Abnehmer suchte. Ich war in der glücklichen Lage, dies zu sein.„In acht Tagen“, sagte er in seiner schnaufelnden Art,„in acht Tagen sind die Deutschen in Paris !“—„In acht Tagen, Exzellenz?“ bemerkte ich einschränkend,„vielleicht in vier Wochen.‘ Aber darauf hatte er nur gewartet, denn jetzt kam das Witzwort . „In vier Wochen?“ rief er, sich wie eine Serpentinentänzerin windend.„In vier Wochen sind s’ schon wieder draußen!“


