128
sünde ist, war in seinen Augen eine Todsünde, an der sein Chef des Generalstabes sich mitschuldig gemacht hatte.
Franz Ferdinand war durch und durch klerikal, wie sich nicht nur bei diesem Anlaß zeigte. Auf einem Ausflug an der Adriatischen Küste, dem sogenannten Litorale, das damals noch zu Österreich gehörte, hatte ich ihn einmal unbeobachtet beobachten können. Ich saß im Kirchendämmer der italienischen Kathedrale, die um diese Tageszeit, es war früher Nachmittag, völlig menschenleer war, und sah plötzlich einen stattlichen Mann in Marineuniform durch die Seitentüre dicht vor mir das Kirchenschiff betreten und sich vor dem Altar zu Boden zu werfen. Nie werde ich die Wucht und Inbrunst dieser Bewegung vergessen. Es war, wie wenn ein Hirsch im Feuer zusammenbricht. Nicht umsonst hieß der Mann mit seinem zweiten Namen Ferdinand. Er war einer jener noch halbspanischen Ferdinande aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, die, in Blut und Glauben watend, das Land ,, katholisch machten". Nur den Humor jenes größeren Ferdinand hatte er nicht; er hatte, wie sein autokratisches Vorbild, Wilhelm II. , überhaupt keinen Humor. Er war bigott, jähzornig und finster, aber nehmt alles nur in allem ein Mann, sogar ein schöner Mann, wenn auch kein angenehmer. Die eigensinnige, steile, gewitterige Stirn, der bogenförmig gelockte Schnurrbart, der im verkleinerten Maßstab das Gehörn eines Büffels nachzuzeichnen schien, die ebenmäßig brutalen Gesichtszüge wirkten einschüchternd, ohne zu gewinnen. Daß er ein Tyrann war, sah man ihm an und ließ sich auch blutmäßig aus seiner Abstammung erklären. Sein Großvater mütterlicherseits war der berüchtigte König„ Bomba" von Neapel gewesen, von dem Franz Tschuppik in seiner FranzJoseph- Biographie berichtet, daß er zweiundzwanzigtausend seiner unglücklichen Untertanen zum Tode oder zu lebenslänglichem Kerker verurteilt habe. Franz Ferdinand, der noch nicht regieren durfte, begnügte sich vorerst mit mindestens ebenso
-
-


