WER HORT AUF KASSANDRA?
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auch schreiben“, fügte er vorsichtig hinzu. Sie alle sprachen das beste Deutsch, aber es klang aus ihrem Munde wie auf der Orgel gespielt und man fühlte sich immer wie von einem leichten Schauer angeweht, wenn sie auch im Privatleben die Bälge traten.„ Flüche donnern ihm nach!" sagte etwa Max Devrient zu mir während eines Spazierganges auf dem Michaelerplatz, dem Rockefeller Center in Wien , und das grollende R in ,, donnern", das er dem aus dem Amte scheidenden Direktor nachschickte, rollte über den weiten Platz. Aber auch die Anmut der Burgtheaterdamen ging heldenhaft übers Alltägliche hinaus. Die dreiundneunzigjährige Frau WilbrandtBaudius alt zu werden gehörte zur Begabung des Burgschauspielers artikulierte einmal, schalkhaft auf eine kleine Gruppe österreichischer Dichter deutend, die auf einem Kanapee plaudernd die Köpfe zusammensteckten: ,, Wie sie da sitzen, Stern bei Stern!", wobei wiederum das Wort ,, Stern ", wie sie es aussprach, dem aufblickenden Zuhörer einen ganzen Sternenhimmel vortäuschte. Denn in einem solchen Burgtheatermund, auch wenn er sich nur beim Spazierengehen auftat oder über einer Tasse Kaffee, nahm alles superlativen Ausdruck an, und Superlative waren ja auch diese ,, Rollenträger" gab es damals noch-, -, jeder in seiner Art. Die Großmutter war die letzte Steigerungsform einer Großmutter und das junge Mädchen der Superlativ eines jungen Mädchens. Vor allem aber war der Vater im Burgtheater, das heißt der die Väterrollen spielte, der Inbegriff der Väterlichkeit, was auch der Grundidee des damals noch patriarchalisch gelenkten Staatswesens entsprach. Ein solcher Vater war etwa Sonnenthal, sogar die Tränensäcke unter seinen in wachsamer Gerührtheit schwimmenden Augen und der Stockschnupfen, mit dem er kummervolle und mahnende Worte sprach, waren herzbrechend väterlich, was zum Weinen wahrhaftig gewesen wäre, hätten nicht die alten Damen in den Logen das entartete Geschlecht der
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so etwas


