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ERLEBTES OSTERREICH
über. Airconditioned heißt man's in Amerika . Wir machten's auf unsere Art.
Burgtheaterbesucher zu sein war im Wien meiner Jugendjahre eine Art Religion, und wenn nicht Religion, so wenigstens Religionsersatz und ein allgemein beliebter. Es war ein ideales Theater, weil es ein Theater der Ideale war, in dem alles und jedes, was zwischen Schminktopf und Rampenlicht sich ereignete, eine etwas höhere Bedeutung annahm, als ihm auf Erden zukam. Wenn beispielsweise der große Sonnenthal, der in Amerika bis nach San Franzisko gastierte, den zärtlichen alten Oboespieler in Schnitzlers ,, Liebelei" spielte, so war das nicht so sehr ein Oboespieler aus der Wiener Vorstadt, als vielmehr die platonische Idee eines solchen. Und das waren mehr oder weniger alle Burgtheaterfiguren: Schatten an der Wand im Lichte der Ideen. Aber immer war es der Dichter, der das Öl der Lampe beisteuerte und entzündete. Die schönen Schauspieler des Burgtheaters, ihrer abendlichen Wirkung sicher, räumten ihm bereitwillig auf der Probe den Vortritt ein und lauschten auf sein Wort, so theaterfremd es klingen mochte. Auch in diesem Punkte war das Burgtheater eine Ausnahme und eine sehr rühmliche.
Burgschauspieler: diese Recken und Reckinnen, mit dem in beiden Fällen wohlausgebildeten Brustkasten, waren, der deut schen Orientierung entsprechend, von Haus aus selten Österreicher, das war das Wienerische an ihnen. Die große Wolter kam aus Köln , Baumeister und Gabillon und Reimers von der norddeutschen ,, Wasserkante", was eine weit zurückreichende Tradition neu belebte. Die Bleibtreu, eine andere sechs Fuß hohe Heldenmutter, kam aus München , Sonnenthal und Robert waren Deutsch- Ungarn und die Hohenfels , die alterslose, lebenslänglich ,, taufrische" Naive der Jahrhundertwende, soll sogar ,, Bourbonenblut" in den Adern gehabt haben, wie ihr Gatte, Baron Berger, behauptete:„, Und wenn sie tot ist, werd' ich es


