WER HORT AUF KASSANDRA? 115

Ich werde hier nicht der Versuchung erliegen, eine längere Abhandlung über das hundertundsiebzig Jahre alte Burg- theater einzuflechten, an dem im Verlauf von dreißig Jahren acht oder zehn meiner Lustspiele zur Aufführung gelangten. Der Wiener spricht von diesem Theater, das Mark Twain a miracle of beauty, art, taste and costliness in einem seiner in Wien geschriebenen Artikel nennt, wie der Bräutigam von der Braut, und wie ein liebender Bräutigam geht er damit seiner Umgebung leicht auf die Nerven. Was sehr hübsch in einem wieder anderen Geschichtchen aufbewahrt ist, das in Wien entstanden sein könnte, wenn es nicht in Wien entstanden ist. Eine gelehrte Akademie schreibt das ThemaElephant zur internationalen Behandlung aus und ihrer Eigenart entsprechend verhalten sich die ver- schiedenen Nationen verschieden zu der gestellten Aufgabe. Der Engländer bringt einen Bericht zu Papier unter dem Titel: Wie ich meinen ersten Elefanten schoß. Der Amerikaner setzt das Diskussionsthema in Beziehung zur Präsidentenwahl. Der Franzose geht in den Jardin des Plantes und studiert ge- wissenhaft das Liebesleben des Elefanten. Der gründliche Deutsche verfaßt einen unvollendeten dreibändigen Schmöker unter der verpflichtenden Überschrift:Der Elefant in seiner Beziehung zur deutschen Philosophie mit besonderer Berück- sichtigung der Hegelschen Trias. Und der Wiener schreibt: Erinnerungen eines alten Elefanten an das Wiener Burg- theater.

Ob nun dieses Burgtheater des alten Elefanten wirklich ein Wunder war, wie Mark Twain in verschwenderischer An- erkennungslaune fand, oder nurein Foyer und ein Fundus, wie Alexander Moissi , der Garrick des deutschen Theaters, gering- schätzig zu sagen pflegte: es war ein Wahrzeichen, dieAkro- polis von Österreich . Hermann Bahr , der große österreichische Kritiker und Lustspieldichter, nachdem er sich ein Leben lang

g*