IN UND AUS DER WIENER GESELLSCHAFT

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Roman", dem er zuerst unter dem Titel ,, The Worlds Illusion", später unter anderen Titeln, seinen großen Erfolg verdankte. Aber seine unvergeßlichsten Meisterwerke sind seine kürzeren oder mittellangen Erzählungen, voll ,, tunkler" Gesichte und ,, tunkler", sinnvoller Begebenheiten, die er mit einer ,, tunkeln" Stimme, im Tonfall des Muezzins, der vom Minarett die Stun­den ausruft, meisterlich vorlas.

In Wassermanns Werk finden sich unübersetzbare Satzgefüge, die von seiner frühen Welt und Umwelt, auch derjenigen, in die er sich in seinen Träumen versetzte, mehr und besser er­zählen, als es der beste Erzähler vermöchte.

,, Zwischen Spind und Bettstatt hockte er sich auf einen Schemel und löffelte seinen Kaffee", liest man da etwa. Oder er läßt einen kapitalistischen Vater seinen Sprößling, der den Diamant­schmuck seiner Mutter gestohlen und zu einer Dirne getragen hat, an der Gurgel fassen mit den Worten: ,, Fackle nicht! Gib den Schmuck heraus!" Sicher hat seit hundert Jahren kein deutscher Vater seinen deutschen Sohn so angesprochen, aber in einer Novelle von Hauff, in einer Volkserzählung von Hebbel könnte er wohl so geredet haben, und in diesen romantischen ,, Zeitläuften" fühlte der Erzähler und Nach- Erzähler Wasser­mann sich am wohlsten, von ihnen stammte, in sie flüchtete er und wurde auf der Flucht zum Dichter. Auch sein Verhältnis zur Idee ,, Iteeh" sprach er es aus war das jener versun­kenen Tage des deutschen Idealismus, in denen man von der Hegelschen Trias oder von Schopenhauers empirischem oder intelligiblem Charakter unter Gebildeten wie vom Wetter sprach. Einmal schrieb er mir vorwurfsvoll: ,, Sie verwechseln den zufälligen Wassermann mit dem wahren." Was er meinte, war die dem Philosophen geläufige Unterscheidung zwischen Idee und Erscheinung. Ideengläubig, wie er war, war die Idee ihm alles und die Tatsache ein oft miẞverständlicher Zufall. Einmal wohnte er in Gesellschaft eines gelehrten Freundes der

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