INUND AUS DER WIENER GESELLSCHAFT 97

romantischen Armut. In seinem Erinnerungsbuc erzählt er, daß er sich als junger Mensch brotlos im Schwarzwald umher- getrieben und den Bauernkindern Geschichten erzählt habe, wofür er manchmal einen Trunk Milch erhielt. Nicht die schlech- teste Schule für einen Erzähler, und was für ein mit Phantasie und Erfindung gesegneter Erzähler hat sich daraus entwickelt! Auch von ihm ließ sich sagen, was ich einmal in einer kritischen Besprechung ihres ersten Wiener Auftretens der großen fran- zösischen Schauspielerin Suzanne Despres , einer Bahnwärters- tochter, nachgesagt hatte: So reich sind nur die Kinder der Armen.

Wie jeder von den Vieren seine Eigenart, hatte auch ein jeder seine kleinen Schwächen und Wunderlichkeiten, die lustig ins Licht zu rücken die Freunde nicht müde wurden. Arthur Schnitzler , der den spitzesten Dialog und die melodischeste Prosa schrieb, war ein überzeugter Freidenker. Er glaubte an nichts als an die voraussetzungslose Wissenschaft, vielmehr er glaubte an nichts anderes zu glauben. Was ihn nicht abhielt, seinen Gast mitGrüß Sie der Himmel! zu empfangen und mit einem sonorenGott mit Ihnen! zu verabschieden. Hof- mannsthal wurde, wie Cervantes, in der Kutte des Terziaer Ordens der Franziskaner begraben. Er war ein gläubiger Katholik, und als Schnitzler ein StückFreiwild gegen das Duell schrieb, sagte Hofmannsthal , damals einige zwanzig: An solche Sachen soll man lieber nicht rühren! Im Vor- zimmer seines Rodauner Schlößchens, das ein Stallmeister Karls VI. für seine Geliebte, eine Rodauner Bäckerstochter, ge- baut hatte, sah man sich von einem Bildnis Grillparzers be- grüßt, das in der Kielfederhandschrift des Dichters die Verse schmückten:

Nur weiter geht ihr tolles Treiben, Von vorwärts! vorwärts! erschallt das Land.

7 Verlorene Zeit