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ERLEBTES OSTERREICH

Ihnen, und nicht einen, dem ich, was ich ihm verdanke, lieber verdankte."

Richard Beer- Hofmann , in den letzten Jahren der Stolz der Hitler- Emigration in New York , war Schnitzlers nächster Freund und sein Nachbar in der damals hoch aufblühenden Wiener Cottage- Siedlung. Es war Schnitzler, der mich seinem um einige Jahre jüngeren Freund zuführte, in dem das damalige Wien und noch mehr das Berlin jener Tage den Dichter des ,, Schlafliedes für Mirjam" und des bühnengewaltigen ,, Grafen von Charolais" verehrte. Dieses leidenschaftlich beredte Versstück war einem englischen Renaissancedrama, der ,, Fatal Dowry" des Massin­ger nachgedichtet, und renaissancemäßig sah auch der Erneuerer aus. Dunkelbärtig, braunäugig, mit breiter Jupiterstirn und be­lebtem Gesichtsausdruck, ein redendes Bild auch wenn er nicht sprach, hätte er ebensogut Gonzaga heißen und von Tizian ge­malt sein können. Und so wirkte auch seine Frau Paula auf uns, eine Vittoria Colonna oder Beatrice d'Este dem Ansehen nach, obwohl sie aus Graz stammte. Ihr, die ihm auf der Reise nach Amerika in Zürich wegstarb, ist des mehr als Siebzigjährigen letztes und liebendstes Buch gewidmet. ,, Paula oder Österreich " heißt es, und damit ist alles gesagt, was Beer- Hofmann seine Frau Paula war und was ihm Österreich bedeutete. Es war eine ideale Ehe, aber ganz ohne den spiegelsüchtigen Zug, wie er idealen Ehen sonst mit den Jahren leicht anfliegt.

Beer- Hofmann führte eine sparsame Feder, die nur Bleiben­des zu Papier brachte. Er hat in dreißig Jahren drei Stücke ge­schrieben, neben jenem äußerlich noch ganz in unserem Ästheten­zeitalter verhafteten chevaleresken, Grafen ". Jaakobs Traum" und den ,, Jungen David", dazu eine Handvoll Gedichte und zwei bis drei Prosabände. Mit Recht durfte ich ihm in einem kritischen Artikel verbriefen, er gehöre zu den ganz wenigen Dichtern, deren Gesammelte Werke" ihre Ausgewählten Schriften" sind.

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