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ERLEBTES OSTERREICH

in einem ähnlichen Verhältnis stand wie jener zu den seinen. Fischer war ein damals noch jüngerer, ansprechend kluger und verständnisvoller Mann, dem ich oft im Chefzimmer seines Ber­ liner Verlagshauses mit Vergnügen gegenübersaß, während er sein aus dem Papier ausgewickeltes Frühstücksbrot mit Appetit verzehrte. Er war selbst seiner Herkunft nach ein halber, mög­licherweise sogar ein ganzer Österreicher, was man seinen Ur­teilen über Österreich manchmal anmerkte.., In Österreich ", pflegte er etwa lachend zu sagen, gibt es dreihundert Menschen, die Bücher kaufen." Aber man durfte das nicht zu wörtlich nehmen, und in keinem Falle hinderte es ihn, seinen österreichi­schen Autoren auch in Österreich Tausende von Abnehmern zu verschaffen. Er war ein deutscher Verlagskaufmann großen Stiles, im besten, edelsten und verpflichtendsten Sinne. Sein Ge­heimnis, auch das Geheimnis seines epochalen Erfolges, war die Liebe, die Liebe zur Literatur und zu seinen Dichtern, deren Schwächen er nur zu kennen schien, um sie ihrem Talent lachend zu verzeihen.

Mit Schnitzler, dem widerwilligen Haupt der Wiener Schule - denn nichts war ihm zuwiderer, als wenn sich irgendwer oder irgendwas um ihn ,, scharte", wurde ich auf eine völlig un­dramatische, aber für ihn höchst bezeichnende Art bekannt. In einer jener Festbeilagen, mit denen damals die großen Wiener Blätter zu Ostern und zu Weihnachten sich und ihre Leser zu beschenken liebten, war ein vergnügter kleiner Einakter von mir erschienen. Schnitzler, ein großer Leser wie jeder wirklich be­deutende Schriftsteller, ließ mir unbekannterweise sagen, daß er ihm gefallen habe. Ich antwortete in einem Brief, in dem ich mich zu seiner Schule bekannte. Er erwiderte mit seiner Visiten­karte, die er bei meinem Hausbesorger abgab. Nichts konnte ein­facher sein, nichts beglückender. Ich war noch ein ganz junges Kücken der Literatur und Schnitzler, um fast ein halbes Men­schenalter älter als ich, der Dichter der Liebelei" und aller­

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