IN UND AUS DER WIENER GESELLSCHAFT

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von mir bestellten Felde nicht beklagen; ich erntete, was ich gesät hatte, an Genugtuungen und auch an Enttäuschungen. Ich schrieb über Reisen, Bücher und Theater; in der Sphäre des Theaters, das in jenen Jahren in Wien die größte Rolle spielte, zunächst über ausländische Gastspiele, wozu mich meine Kennt­nis des Französischen und Italienischen vorzugsweise befähigte, später auch über das Wiener Theater. Aber ich hörte darum nicht auf, auch fürs Theater zu schreiben, wie es der Richtung meines Talents entsprach, und obwohl ich es ängstlich vermied, mich an einem Theater aufführen zu lassen, dessen Kritik ich verwaltete, mußte ich mich in dieser Richtung dem Verdacht aus­gesetzt sehen, daß ich mich als Theaterkritiker zum Bühnen­schriftsteller aufzuschwingen gedachte. Was sich, wenn es über­haupt noch der Mühe wert wäre, darüber zu reden, dadurch widerlegen ließe, daß ich meinen ersten und wahrscheinlich ein­zigen größeren Theatererfolg mit meinem Lustspiel ,, Die große Leidenschaft" erzielt hatte, lange bevor ich mein erstes Theater­referat zu Papier brachte.

,, Die Unsterblichkeit eines Tages" bot noch andere Vorteile als eine eintägige Unsterblichkeit, wenn sie auch in einer anderen Richtung lagen als die vermutete. Ich lernte dank meiner Ver­pflichtung, über Literatur und Theater zu schreiben, nach den großen Bühnenkünstlern und neben ihnen auch die großen Schriftsteller meines eigenen Landes, ja sogar meiner eigenen Generation kennen. Es war dies vor allem eine kleine, ebenso wählerische wie gewählte Gruppe, die unter dem lockeren Schlagwort ,, Jung- Wien " mehr auseinander- als zueinander­strebte. Auch das Wienerische, das sie untereinander und mit der Welt verband, bestand genau genommen nur darin, daß sie samt und sonders bei S. Fischer in Berlin verlegten, der aller­dings der Cotta dieses Zeitalters war und zu seinen ,, Klassikern"