O DU MEIN OSTERREICH!

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stieg der jungen Literatur kritisch beglaubigte, wogegen Hans­ lick , der ein Reaktionär war, gegen Richard Wagner genau so reaktionär zu Felde zog wie Nietzsche , der bekanntlich ein Revo­lutionär war. Beide Kritiker schrieben ein vorbildliches Deutsch, Speidel das beste, Hanslick das zierlichste.

Die Abrechnung wäre unvollständig, wenn sie nicht auch noch den Posten ,, Frau" einbezöge. Und es wäre unverantwortlich, dies nicht zu tun; denn die Frauen retten das unrettbare Land vor dem Richterstuhl der Geschichte.

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Österreich war immer ein Frauenland in dem die Frauen nichts zu reden hatten. Daß trotzdem geschah, was sie wünsch­ten, spricht nur dafür, daß es aufs Reden am wenigsten an­kommt. Es gibt neben der rationalen Wortfolge auch eine Zeichensprache der irrationalen Gefühle und Instinkte, durch die sie sich jederzeit mit der Männerwelt verständigen konnten. Die staatsbürgerliche Erziehung der Österreicherin wie auch der beweglicheren Wienerin war gleich Null. Sie wußten nicht einmal etwas von den Grundrechten, die immerhin seit dem Jahre 1867 in der österreichischen Verfassung verankert waren und nahmen nur ein Grundrecht für sich in Anspruch, das sich in dem Vers zusammenfaßte: Wenn die Rose selbst sich schmückt, schmückt sie auch den Garten." So wurde Österreich ein Frauengarten; ein Landschaftsgarten.

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In jenen üppigen Zehnerjahren, in deren trächtigem Erd­reich die Wurzeln des Jahrhunderts, alle seine Wurzeln, ruhen, begann man auch in Wien von Frauenemanzipation zu reden, deren europäische Vorläufer zwei Nordländer, Ibsen und die Ellen Key , waren. Es meldeten sich Sozialkritiker zum Wort, die fanden, daß die bisher übliche Mädchenerziehung und Frauenbeschäftigung, ein bißchen Wirtschaft und Klavierspiel