O DU MEIN OSTERREICH!
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ohnegleichen war. In dem kurzen Intervall zwischen dem Tod seiner zweiten, innigst geliebten Frau und Gefährtin und seiner dritten Heirat erhielt er, so erzählte man sich in Wien , eines Tages ein Billett von unbekannter Damenhand.„ Eine Frau, die den berühmtesten Namen in der Welt ihr eigen nennt, wünscht Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen", schrieb die unbekannte Bewerberin. Der berühmteste Name der Welt war etwas, das sogar Johann Strauß reizte. Er gewährte eine Begegnung und es stellte sich heraus, daß die Dame eine geschiedene Frau Strauß war. Sie wurde die schöne, kluge, bewunderte dritte Gattin des Mannes mit den feurigsten Augen und dem schwärzesten Schnurrbart von Wien ; denn das war Johann Strauß noch mit siebzig.
Sein Nachfolger auf dem Rauschgoldthron der Operette war Lehár, und wieder sind es zwei Zeitalter, Jahrhundertende und Jahrhundertanfang, die hier fühlbar aufeinanderprallen. Der Straußsche Walzer verhält sich zu dem von Lehár wie Erotik zu Sinnlichkeit, Leidenschaft zu Trieb, Liebe zu Sex. Alles war irdischer geworden, jubelte die Jugend, wenn die ,, Lustige Witwe " zu tanzen, zu wirbeln begann; ,, und billiger" setzten die älteren Leute unfreundlich hinzu. Übrigens tritt dieser Walzerunterschied zwischen Romantik und Realismus, Schwärmerei und Triebseligkeit am deutlichsten auf dem Gebiet der großen Musik hervor, wenn man etwa einen Walzer von Johann Strauß mit dem ,, Rosenkavalier "-Walzer von Richard Strauß vergleicht: ,, Rosen aus dem Süden“ und„, Nur du nur du". Als dann auch noch ein dritter Strauß, der geistreiche Oscar Strauss , der an Offenbach anschloß, hinzutrat, brauchte einem um den Welterfolg der Wiener Theatermusik nicht mehr bange zu sein. Er überlebte zwei Weltkriege. Nie wurden mehr Operetten in New York aufgeführt als im letzten Kriegsjahr. Nie auch wurde so viel Wiener Musik im amerikanischen Radio gesendet, von Beethovens Neunter Symphonie
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