O DU MEIN OSTERREICH!

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begann mit den unvergeßlichen Worten: Wir kennen diese Krankheit bereits aus dem Briefwechsel Ulrichs von Hutten mit Franz von Sickingen ..."

Die andere Hälfte unserer staatsbürgerlichen Nichterziehung besorgte die Gesellschaft, die, dreifach gegliedert wie die Front des Dogenpalastes in Venedig , in die erste, zweite und dritte Gesellschaft zerfiel. Die erste war, wie in jeder Monarchie, die Hofgesellschaft, der lebendige Zusammenhang jener einander ,, du" sagenden historischen Familien, die nach dem bekannten Wort eines unfreundlichen Ausländers Österreich regierten. Ihre Stellung im Staatsganzen ist am besten gekennzeichnet durch den Ausspruch meines Staatsrechtslehrers an der Univer­sität, der, berühmt durch seine scharfe Zunge, einmal einen jungen Angehörigen dieser bevorzugten Gesellschaft beim Rigorosum mit den Worten fallen ließ: Herr Kandidat, ich werde nicht verhindern können, daß Sie Statthalter werden. Aber ich kann es um ein Jahr verzögern." Die zweite Gesell­schaft war die in der ersten Generation reich, in der zweiten gebildet in der dritten versnobt gewordene, die das ihr fehlende Du durch Fremdsprachigkeit und internationale Beziehungen nach Möglichkeit zu ersetzen bemüht war. Und die dritte Ge­sellschaft, das war die Gesellschaft derjenigen, die nicht zur Gesellschaft gehörten; sie kamen und gingen, die anderen blieben.

Der Wiener Witz, immer bemüht, das Abstrakte durch Eigen­namen zu versinnlichen, besorgte die fragwürdige Abgrenzung auf seine Weise, indem er sich mit sich selbst auf die Formel einigte: ,, Die erste Gesellschaft, das sind die Schwarzenberg und die Rothschild - die nicht miteinander verkehren. Die zweite, das sind die***, die bei Rothschild verkehren, aber Rothschild nicht bei ihnen. Und die dritte Gesellschaft, das sind wir!" Was keines weiteren Beweises bedurfte. Denn solche Witze mit dem Hergebrachten machte man nur in der dritten.

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