O DU MEIN OSTERREICH!

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Musikbegleitung erfolgten. Unter klingendem Spiel der in der Sonne blitzenden, blankgeputzten Instrumente marschierte unser stolzes Regiment der Tiroler Kaiserjäger und mit ihm die Doppelmonarchie in die österreichische Tragödie hinein, als ob es eine Wiener Operette wäre...

Im Schulatlas meiner Mutter, in dem ich als kleines Kind blättern durfte, wenn ich krank war, war die Landkarte Oster­ reichs als ,, Kaiserthum Österreich" bezeichnet, und ich sehe noch den mächtigen orangeroten Fleck vor mir, den die in Mamas Kinderjahren noch österreichischen ,, Provinzen" Lombardei und Venezien darin auf einem besonderen Blatt bedeckten. Als ich selbst zur Schule ging, war das ,, Kaiserthum" endgültig ver­schwunden, nachdem es sich im Ausgleich mit Ungarn zur ,, Österreichisch- ungarischen Monarchie" zeitgemäß verjüngt hatte. Die vormalige Einheit des Reiches war jetzt nur noch auf den österreichischen Silbergulden vorhanden, wo sie den ge­prägten Kopf des Monarchen mit dem lateinischen Wappen­spruch ,, Indivisibiliter ac inseparabiliter" schamhaft umschlang. Schon daß dieser vielsilbige Spruch lateinisch redete, war ein letztes Auskunftsmittel der in zwölf verschiedenen Landes­sprachen durcheinander redenden, aber noch in Silbergulden zahlenden Nationen. Sie hatten im Grunde nur noch eines mit­einander gemein: die Feindschaft gegen das deutsch redende, europäisch fühlende Wien , dessen weltbürgerliche Haltung sie als eine Art Verrat an ihrem nationalen Provinzialismus, der schließlich überall recht behalten sollte, empfanden.

An jenes schwer aussprechbare ,, Indivisibiliter usw." knüpft sich ein lustiges Geschichtchen, das die nicht allzu heldisch ver­anlagten Wiener im ersten Weltkrieg einander ins Ohr er­zählten. Seine Voraussetzung bildete der freiwillige Heldentod des österreichischen Kriegsschiffes Zenta", der einem braven österreichischen Seesoldaten Gelegenheit gab, sich mit dem Aus­ruf ,, Es lebe Österreich !" ins Meer zu stürzen. Diese patriotische