AUF ALTEN WEGEN INS NEUE JAHRHUNDERT

theater, dem Gymnasium der Erwachsenen

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mühsam erwor­

benen und gefestigten Idealismus auf noch härtere Proben zu stellen, wie ich gleich berichten will. Es ergaben sich dabei ebenso überraschende wie ernüchternde Einblicke in das innere Gefüge unseres Herrschaftsstaates, so liberal er sich nach außen hin gebärdete.

Die Freiwilligen des Tiroler Kaiserjäger- Regiments, dem un­gefragt beitreten zu dürfen ich die Auszeichnung genoß, waren in den Turmstuben der im Windsor- Stil erbauten Roẞauer Kaserne untergebracht und führten dort, über die gewöhnliche Mannschaft emporgehoben, eine Art Eigenleben unter der Auf­sicht eines älteren Hauptmanns, des sogenannten Schulkomman­danten. Sein mißlaunig gutmütiges Gesicht mit der verdrießlich herabhängenden Gurkennase hatte etwas wachsam Väterliches, wenn er beim Exerzieren von seinem Rößlein auf uns und den uns einübenden Leutnant herabsah, und daß sich augenscheinlich nicht alle seine Beobachtungen in Worte verwandelten, erzeugte zugleich Respekt und Vertrauen. Seine lakonische Art und eine gewisse trockene Anständigkeit, die in seinem Gehaben zum Ausdruck zu kommen schienen, gefielen mir im Grunde und auch ich schien ihm bald zu gefallen, wenn auch nur von seinem, für ihn einzig maßgebenden Gesichtspunkt, daß aus mir mit der Zeit ein brauchbares Stück Kanonenfutter werde zu machen sein. Bis er dann eines Tages erfuhr, vielmehr dahinter kam, daß ich auch ein von dieser edlen Bestimmung unabhängiges Eigendasein führte. Vielleicht hatte ihm irgend jemand gesteckt, daß ich ein Schriftsteller in der Knospe wäre, was man in Regie­rungskreisen bei jungen Leuten nicht gerne sah; vielleicht hatte er es sogar selbst bemerkt, wenn er die auch in seinem Stamm­café der Kaserne gegenüber aufliegende Münchner ,, Jugend" zwar nicht las, aber aufblätterte. So oder so, es kam der Tag, da ich ihm beim Rapport in meiner hechtblauen Uni­form gegenüberstand und er diese für den sich Meldenden

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