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ERLEBTES OSTERREICH

sagte ,, Zelter". Das rechnete er mir hoch an, daß ich solch ein schönes Wort gefunden hatte und sah mir dafür manche Schwachheit nach.

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Das Wien der Jahrhundertwende war idealistisch angehaucht, wenngleich eben nur angehaucht. Der Hauch blieb auf eine ver­schwindend kleine Minderheit beschränkt, die sich zum Ganzen Österreichs bestenfalls so verhielt wie die ,, Innere Stadt " zu Groß- Wien, vom flachen Lande nicht zu reden. Oder um einen anderen Vergleich zu gebrauchen: die gebildete Gesellschaft bildete nur eine kleine Insel, die in einem Meer von Halb­- sich und anderen ein­bildung und Unbildung schwimmend zureden suchte, das Meer zu sein. Aber selbst noch auf dieser Insel war für einen Kontrapunkt gesorgt, der sich in der Armee verkörperte obwohl es auch gebildete Offiziere gab. Der humanistische, liberal geschulte Jüngling trat als ,, Freiwilliger" ins Heer ein, wo er, von rohen Unteroffizieren für die deutschen Welteroberungspläne praktisch abgerichtet, zum Offizier er­zogen wurde. So erst erwuchs der akademische Bürger zum Vollbürger, dessen oberste Rangstufe der für jeden zugängliche, wenn auch nicht immer erschwingliche Kavalier" bildete. Es gab freilich auch geborene Kavaliere, das waren die Adeligen, aber auch die Bürgersöhne konnten es notfalls werden, wenn sie nach abgebüẞtem Freiwilligenjahr zwischen Handküssen und Absätzezusammenschlagen die Schule der Welt durchmessen hatten. Der Titel eines Reserveoffiziers, Punkt und Kontrapunkt zugleich, hielt dann mit einer vergoldeten Feldbinde und eben­solchem Portepee leiblich und ideologisch alles zusammen: das humanistische Gymnasium, die Schule der Welt, die von Ärzten unter Umständen medizinischer benannt wurde, und die damit nahe zusammenhängende militärische ,, Abrichtung".

Die Roheit dieser Abrichtung, die ja als Vorschule zum Krieg wahrscheinlich unerläßlich ist, war dabei die geringere Gefahr. und im Burg­Anderes kam dazu, um den im Gymnasium