stellte sich kämpferisch, wie ich sie immer nur in geistigen Dingen sah, neben ihren Sohn, der Rüge, daß das keine pas- sende Lektüre für einen jungen Menschen meines Alters wäre, mit der im Gesprächston vorgebrachten Frage begegnend:„Hast du immer nur gelesen, was zu dir paßte?“„Nein“, mußte mein onkelhafter Vetter einräumen, und mit einem launigen Lächeln setzte er hinzu:„Darum bin ich ja so dagegen.“
Diese Gabe der geschickt ausweichenden Dialogwendung und der blitzschnell aufspringenden Bemerkung, das, was man im Französischen„saillie‘‘ nennt, besaß Herzl in hohem Maße. Es war eine Gabe des Wiener T'heaters, dessen Hochschule das Burgtheater war, und Paris , die eigentliche Heimat des mot heureux, hatte einen lebendigen Anteil daran. Ich erinnere mich mancher dieser glücklichen und beglückenden Bemerkungen aus seinen immer mimisch belebten kleinen Aufsätzen und Essays, die oft kleine Kunstwerke waren. Er schrieb etwa über Biarritz , die„Geckenküste“, wie er das Feuilleton überschrieb, mit einem älteren Vokabel, das Geck und Narr mit einem und demselben Wort bezeichnete. Er schrieb: aber es war nichts weniger als eine Beschreibung; es war ein Bild. Farbe war darin und Atmo- sphäre. Der damals so beliebte, ja unerläßliche Gesellschafts- pessimismus war hineingemischt, aber auch der Duft der Land- schaft, der Atem der Nacht und der Urlaut des Meeres. Der Flaneur im weißen Flanell sprach auch über das Spielkasino und setzte abschließend den Satz hinzu:„Das Kasino von Biarritz erhebt sich auf einer Grundlage von unerschütterlichem Granit: der menschlichen Dummheit.“ Und alles faßt sich am Ende zu- sammen in der Vision eines jungen Marineoffiziers, der Deck- wache hat auf seinem Kriegssciff. Er sieht die Lichter von Biarritz von fernher durch die Nacht herüberblitzen und lächelt in Erinnerung und vielleicht auch in Erwartung:„Ah, Biarritz !“ Spielglück, Frauen, Lust— dieses„Ah, Biarritz !“ sagt alles und läßt noch mehr erraten. Wie ein guter Aktschluß.


