GARTEN DER KINDHEIT 23
Warte“, die diesem verpflichtenden Namen auch Rechnung trug. An schönen Sommertagen, wenn die Rothschildgärten gegen ein mäßiges Eintrittsgeld zugunsten der Poliklinik allgemein zu- gänglich waren, fuhr die schöne Welt in offenen Kaleschen zwar nicht an unserem Hause vorbei, aber nicht weit davon, die zwi- schen wohlgehaltenen Gärten sanft ansteigende Straße hinan. Die Fürstin Pauline Metternich , Enkelin und Schwiegertochter des Staatskanzlers, das verkörperte Bild des ancien r&gime, in ihrer violetten Karosse mit der violettlivrierten Kutschenbedie- nung, fehlte selten unter den Ehrengästen. Was sich ebenso aus ihrer Blumenliebe und gesellschaftlichen Neugier, wie aus der Tatsache erklären ließ, daß sie Präsidentin der vom Haus Roth- schild begünstigten Poliklinik war.
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Mein Vater und meine Mutter waren so gegensätzlich ge- artet, wie nur zwei Menschen, die ausschließlich füreinander bestimmt sind, es sein können. Vater, den wir zu Unrecht Papa nannten, denn er war vielmehr ein Vater als ein Papa, war eine Pioniernatur; Mutter, die weit mehr noch eine Mama als eine Mutter war, durchaus ein Zivilisations- und Bildungsprodukt. Sie liebte die Musik, spielte nicht übel Klavier, träumte vom Theater und kommunizierte mit der Ideenwelt, indem sie uns Kindern den großen Monolog aus Schillers„Jungfrau von Orleans“:„Der Kampf ist aus, des Krieges Stürme schweigen, Auf blut’ge Schlachten folgt Gesang und Tanz...‘“ mit einwand- freier Betonung und theatralischem Schwung vorlas. Papa hatte eine ausgesprochene Vorliebe für Pferde, die er auch für sein Geschäft zu benötigen vorgab, für Hunde und für, zum Teil exotische Vögel, die er sich aus einer Hamburger Tierhandlung verschrieb und die dann in einem von mir in Laubsägearbeit hergestellten zierlichen Bretterkäfig im finstersten Winkel der


