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gesagt haben würde ,,, auf den Knien der Götter". Aber während das Schicksal der Monarchie dort bis auf weiteres ruhte, wanderte ein Visitekartenbildchen der erschossenen Baronesse Mary Vetsera in der dritten Klasse des Döblinger Gymnasiums es war die meine, unter der Bank verstohlen weitergegeben und von schrägen Blicken angstvoll begleitet, gleichfalls in Kniehöhe von Hand zu Hand. Ich habe es in seiner verbrecherischen Lieblichkeit noch deutlich vor Augen. Ein zierliches Kammerkätzchen Physiognomie unter vorgekämmtem, blondem Haarschopf, der damals sogenannten Pony- Frisur; ein slawisch aufgedrehtes Näschen, ein naschhaftes Mäulchen und zwei weitaufgetane Puppenaugen gaben dem noch so flüchtigen Betrachter dieser frühreifen Reize allerhand zu denken und zu fühlen. Er hätte das von einem geschäftskundigen Photographen vermutlich über Nacht in Tausenden von Abzügen hergestellte Lichtbildchen gerne etwas länger festgehalten, aber schon langte die nächste feuchte Knabenhand unter dem Pult begierig danach, da auch der Nachbar sich an seinem Anblick schaudernd weiden wollte. Was dachten wir uns dabei, zwischen Neugier und Abscheu schwankend? Vermutlich nicht viel, aber sicherlich mehr, als in den Zeitungen stand, die zu Hause vor uns versteckt wurden. Diese verschwiegen ja, unter dem eisernen Zugriff der Zensur, vom ersten Augenblick an und dann durch viele Jahre sogar den Namen der kleinen Person, der trotzdem, scheu, mitleidig und gehässig ausgesprochen, bereits in aller Munde war. Gerade seine Unterdrückung half der Wahrheit auf die Spur, was sich von den einander widersprechenden Lügenmeldungen über den jähen Tod des Thronfolgers keineswegs in gleichem Maße behaupten ließ. Von ihm hieß es in dem ersten, vom Hofe ausgegebenen Bulletin, daß Rudolf während der Jagd in Mayerling einem Herzschlag erlegen sei. Aber dieser Herzschlag, der sich mit der von Ärzten amtlich festgestellten Zertrümmerung der Schädeldecke durch einen Ge


