Es heißt also zu gleicher Zeit die Wächter im Hauptgebäude und die in den Schreibstuben befindlichen Leute kampfunfähig zu machen. Die Zeit für die ganze Operation ist sehr: kurz. Es wird beschlossen, zwischen%8 und 9 Uhr abends loszuschlagen. Da aber nach 9 Uhr die Nachtablösung eintrifft, ist die Zeit für den eigentlichen Ausbruch so gering, daß alle Überraschungen von vornherein vorgesehen werden 5 müssen. Eine weitere Schwierigkeit besteht im Verlassen des Gefäng- nisses., Da es in einer.der Hauptstraßen gelegen ist, wird es unmög- lich, das Gebäude geschlossen zu verlassen, um nicht die Aufmerk- samkeit der Passanten und Bewohner zu erregen. Durch die Lage des Gefängnisses im Zentrum der Stadt ist es außerdem notwendig, mit mindestens einer Stunde Vorsprung vor einer Verfolgung das Gefängnis zu verlassen. Es ergeben sich bei der Vorbereitung fast unüberwind- liche Hindernisse. Alles muß erwogen, Einwände berücksichtigt, Zweifel beseitigt und Kleinmut bekämpft werden. Auslieferung heißt zu 90 Prozent Hinrichtung. Aber das Risiko lohnt und unsere Pflicht ist, zu kämpfen. Der Plan muß gelingen.

Das Wagnis beginnt.

Es ist zwischen sieben und acht Uhr abends. In der großen Halle des Gefängnisses geht es wie jeden Abend lebhaft zu. Bald ist der Appell und dann werden die Gefangenen in ihre Zellen eingeschlossen. Schnell werden noch einmal die Decken auf dem Hof ausgeschüttelt, die Wassereimer geleert und sonstige Vorbereitungen für die Nacht getroffen. Einige sind bereits fertig und gehen einzeln oder zu zweien im großen Gefängnisportal auf und ab. Es ist wie jeden Abend und nichts Außergewöhnliches zu erkennen. Nur Eingeweihtie bemerken hier und da Dinge, welche die fast unerträgliche Spannung der letzten Minuten vor dem Beginn derAktion ausdrücken. Unbemerkt verstän- digt sich die Kampfleitung. Es geht um Sekunden, der Aufstand muß mit einem Schlag einsetzen. Sekundenverspätung kann die ganze Sache zum Scheitern bringen und das Leben von 40 Menschen aufs Spiel setzen.

Noch drei Minuten, und die Operation muß beginnen. Unbemerkt schauen die verantwortlichen Kampfgruppenleiter auf die Uhr noch eine Minute, es ist fast een daß die fünf anwesenden Wächter nichts merken. Langsam sammeln sich die Kampfgruppen zu je drei Mann, die haben die Aufgabe, die Wächter zu überfallen, zu fesseln und in Zellen zu sperren. i

Plötzlich beginnt ein wilder Tumult, welcher das Bild in der Halle blitzartig verändert. Ein erstickter Schrei ertönt, die Wächter werden durch Wolldecken am Schreien gehindert. Schlagartig sind alle fünf überwältigt. An Händen und Füßen gefesselt, werden sie-in die Zellen sesperrt. Das Hauptgebäude befindet sich in der Gewalt der Gefan- genen. Der nächste Schlag muß sofort geführt werden. Vorn in den Schreibstuben ist alles ruhig, sie scheinen nichts bemerkt zu haben.

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