aufzutauchen, wobei im Sprechchor die Schande an der Menschheit hin- ausgerufen wurde.
Den Hinterbliebenen wurde die Auslieferung der Leichen verweigert. Nicht einmal die Asche ihrer Lieben wurde ihnen: ausgehändigt. Man sagte den Eltern Bruno Teschs, die Leichen seien von der Gestapo beschlagnahmt. Noch im Tode waren also die Antifaschisten dem Regime gefährlich. Auch die Beisetzungsstätte blieb den Angehörigen verborgen. Fünf Jahre später noch erklärte die Gestapo den Leidgeprüften, die immer wieder ihr Recht forderten:„Ja, glauben Sie denn, wir hätten gescherzt? Der Fall ist für uns erledigt!“ Für die Arbeiterklasse ist der Fall nicht erledigt, che die Schuldigen gerichtet sind.
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Das Haus, in dem Lütgens gewohnt hatte, stand in der Schauen- burger- Ecke Unzerstraße; Teschs Elternhaus stand in etwa 200 Meter Entfernung, in der Nähe des SA-Lokals May. Am Abend eines‘ August- tages gingen zwei Männer in Arbeitszeug auf die beiden Häuser zu und schlugen Nägel in die Mauer... Punkt 12 Uhr mittags des nächsten Tages durchfuhren wiederum zwei Männer auf Fahrrädern die Straße mit in Papier gewickelten Gegenständen. Ausgerechnet stand zu dieser Zeit vor dem Wohnhaus der Familie Lütgens einer vom SA-Marine- sturm. Doch die beiden ließen sich nicht verblüffen, und ohne sich um ihn zu kümmern, stoppten sie und hingen den eingewickelten Gegen-
stand an den tagszuvor eingeschlagenen Nagel. Dann rissen sie das
Papier ab und ein großer Lorbeerkranz wurde allen Augen sichtbar. Sie strichen die Schleifen glatt, besahen sich ihr Werk noch einmal kritisch, ıım sich dann wieder auf ihre Räder zu schwingen, nicht ohne vorher dem staunenden SA-Mann auf die Schulter geklopft und gesagt zu haben:„Kiek di dat man got an. Auf der Schleife standen die Worte:„Unserem von den Faschisten ermordeten Genossen August Lütgens
Der sich in Sekundenschnelle abgespielte Vorgang hatte bewirkt, daß sich eine große Menschenmenge ansammelte. Jetzt stürmten die SA-Leute bereits über die Straße, rissen den Kranz herunter, zertram- pelten und zerfetzten ihn.„Ick wull, dor wär vergifteten Stacheldraht in“, flüsterte einer der Zuschauer. Der zweite Kranz am Elternhause Bruno Teschs wurde die Beute zweier Polizisten, die ihn abnahmen und nach der Johanniswache trugen, wobei es auf diesem Wege zu einer beachtlichen Prozession kam. Diese Begebenheit ver- breitete sich wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt.
Niemals hat die Hamburger Arbeiterschaft ihre gemordeten Söhne vergessen. Niemals verstummte der Ruf nach Austilgung des Unrechts. Ja, die Empörung im werktätigen Volk ließ es der Gestapo ratsamer scheinen, die Aschenkapseln der Ermordeten nicht in Altona , sondern auf dem Friedhof der Namenlosen in der Nähe Berlins zu verscharren.
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