Wenn er Dienst hat, ist es ein Tag der Ruhe in den Zellen. Mach was du willst. Wenn er brüllt, blinzelt er mit dem Auge, damit du weißt, daß das nicht dir gilt, daß nur unten der Vor- gesetzte von seiner schneidigen Leistung überzeugt werden soll. Es ist übrigens vergebliche Mühe; er überzeugt niemand mehr und es vergeht keine Woche, in der er nicht Strafdienst hat.

Ach, Scheiße! winkt er mit der Hand ab und macht weiter. Er ist immer eher ein junger, leichtsinniger Schuster als ein Aufseher. Du kannst ihn dabei antreffen, wie er mit den ein- gesperrten Burschen in der Zelle leidenschaftlich und freudig mit SechserlnAnmäuerln" spielt. Ein anderes Mal wieder treibt er die Häftlinge aus einer Zelle auf den Gang und macht Revision. Die Revision dauert lange. Wenn du neugierig bist, schaust du in die Zelle und siehst ihn beim Tisch sitzen, den Kopf auf den Ellbogen gestützt. Er schläft, schläft mit Wonne und ruhig; er ist hier am besten vor seinen Vorgesetzten ge- schützt, denn die Häftlinge am Gang wachen und melden jede sich nähernde Gefahr. Und schlafen will er wenigstens im Dienst, wenn ihm schon in seiner Ruhezeit ein Mädchen, das er über alles gern hat, den Schlaf vertreibt.

Niederlage oder Sieg des Nazismus?Ach, Scheiße! Ist es denn möglich, daß sich dieser Zirkus hält?

Er rechnet sich nicht dazu. Schon dadurch wäre er interessant. Aber noch mehr: er will nicht dazu gehören. Und gehört auch nicht dazu. Hast du einen Brief in eine andere Abteilung ZU- zustellen?Flink richtet es. Hast du eine Nachricht hinaus zu geben?Flink erledigt es. Hast du mit jemand zu sprechen, ihn durch eine persönliche Unterredung zu überzeugen, um SO weitere Leute zu retten?Flink führt dich in seine Zelle und paßt auf so ein bißchen mit lausbübischer Freude über einen gelungenen Streich. Du mußt ihm oft zureden, daß er VOI- sichtig sein soll. Mitten in der Gefahr fühlt er sie wenig. Er macht sich nicht ganz die Tragweite des Guten bewußt, das er tut. Das erleichtert es ihm, noch mehr zu tun. Aber es hin- dert ihn am Wachsen.

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