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schuldigten seine Geschosse schleuderte, wie er es zur Blütezeit der Hitlerei wohl getan hätte... zwar sämt­lich überaus schwach in ihrem sachlichen Gehalt, aber um so wuchtiger in der Rhetorik. Dabei sah er seinen Gegner unverwandt funkelnden Auges an und schüttelte sogar einmal die geballte Faust gegen ihn-- Bert ver­meinte, noch niemals bisher einen jäheren, heftigeren Blick ausgehalten zu haben. Selbst der geduldigste Maulesel hätte vor diesen Glutaugen gescheut.

Dennoch blieb sein Vortrag restlos eine Formsache. Die seelische Unsicherheit war allgemein so gesteigert im Saal, daß niemand ihm recht zuhörte, weder der Präsident und seine Beisitzer, noch der Verteidiger und erst recht nicht der Angeklagte, obwohl die düsteren Augen des Sprechers wie die Mündungen zweier Flinten­läufe auf ihn gerichtet blieben.... Auch keine Spur von der vorwurfsvollen Miene, mit der sich Vorsitzender und Beisitzer bei jedem aufflackerndem Lärm von draußen bestürzt ansahen, war seinen leuchtenden Zügen an­zusehen.

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Den beiden Richtern aus Berlin mochte die Er­innerung an die Tage der Münchner Kommune von 1919 oder der, Machtübernahme durch die Nazis 1933 durch den Kopf gehen, wobei es beide Male ziem­lich heiß herging weiß Gott, das stimmt schon: hier in München ist kein verläßlicher Boden für solch skrupellose Blutrichter wie ihr! Denn zwischen den Tiraden des Anklägers und vom Sprecher jeweils mit mühsamer Beherrschung beiseite geschoben- schwoll das brausende Lärmen an, als wäre die Um­gebung des halb zerstörten Justizpalastes ein einziger großer Jahrmarkt, ein Volkstreiben ähnlich dem be­rühmten Münchner Oktoberfest.... Nur eben keine Theresienwiese' in dityrambischer Ausgelassenheit, son­dern ein lodernder Hexenkessel voll ungestümen Auf­begehrens.

Bert insbesondere war nur noch Ohr für diese von draußen kommende Musik des großen Wandels, diesen Weckruf der Zehntausende... immer neue und lautere