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auch zu erhalten, obwohl es allerdings kein Wunder wäre, wenn man den Verstand allmählich verlöre....

Dann aber setzte er mit erhöhter Stimme hinzu, in der Erinnerung, Iřinas Gestalt im Vorübergehen flüchtig gesehen zu haben: ,, Dagegen wünsche ich die Anwesen­heit meiner Verlobten im Saal, die sich im Gang vor dem Sitzungszimmer aufhalten wird...."

Der Antrag wurde ihm abgelehnt mit der Begrün­dung, daß die Verhandlung geheim sei. Da brach es mit Ungestüm aus ihm heraus: ,, Ein Gerichtshof, der nicht bei offenen Türen tagt, ist keiner! Das können Sie bei T. B. Macaulay nachlesen!"- Ein Ausruf, der den An­kläger giftig auffahren ließ mit dem Vorwurf: ,, Der Angeklagte scheint mit englischen Dingen vertrauter zu sein als mit deutschen!" Nachdrücklich wies ihn jedoch Bert zurecht: ,, Nicht mehr, als jeder Gebildete bei uns sein sollte; dann stände es nämlich besser um viele von uns!"

Zu anderen Zeiten hätte ihn wohl der Vorsitzende donnernd zur Ordnung gerufen oder ihm eine Strafe wegen Ungebührlichkeit auferlegt. Jetzt beschränkte er sich nur darauf, mit matter Handbewegung zu resignieren und, in seinen Sessel zurückgelehnt, den Ver­treter der Anklage zu seinem Plädoyer aufzufordern.

Wäre es nicht besser, ging es dabei Bert durch den Kopf, wenn weniger Staatsanwälte sprächen- als viel­mehr Menschheitsanwälte, um nicht nur jeden Justiz­mord zu vermeiden, sondern jede Antastung des mensch­lichen Grundrechtes auf freie Bewegung jedes einzelnen zu hindern, soweit es nicht jemand offensichtlich verdient, festgehalten und verurteilt zu werden...?

Nun erhob sich der Generalstaatsanwalt in seiner ganzen Hagerkeit. Holztrockene Dürre soll von der Bös­artigkeit herkommen, hat einst die Marquise von Pom­padour über Voltaire gespottet.... Immerhin war Berts Gegner noch soviel Kämpfer aus Impuls geblieben trotz des anwachsenden Lärmes der Gärung von draußen daß er seiner vorgefaßten Meinung mit aller Schärfe zum Ausdruck verhalf und gegen den Ange­

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36 Conrady, Amokläufer.