-
545
-
Die Amerikaner hatten in Bayern bereits die Donaulinie überschritten. Nun sprachen die politischen Gefangenen natürlich von nichts anderem mehr als von ihrer baldigen Befreiung durch die Kriegsgegner. Auch Bert und seine Frauen hatten alles Interesse an seinem Prozeß schon verloren.
-
Da erreichte ihn zu seinem Erstaunen die Anklageschrift des Oberlandesgerichts als Stellvertreterin des Berliner Volksgerichts, zu dem eine Überstellung ja nicht mehr möglich war und zugleich die Vorladung zur Hauptverhandlung im Anbau des Justizpalastes tableau! Unter den obwaltenden Umständen mutete Bert diese Ankündigung nahezu an wie ein unzeitgemäßer Aprilscherz... aber bitte, euer Wille geschehe....
-
Am Abend vorher hatte er noch eine erschütternde Vision: er sah ein seltsames Bataillon von Männern angetreten, auch zahlreiche Frauen darunter; die Naziführer schritten die Front ab, jedoch gefesselt jeder und mit abgeschnittenem Kopf unter dem Arm, mit blutüberströmtem Körper und wutverzerrtem Gesicht, den stummen Mund zum Schreien geöffnet..
Nun stand sein Verteidiger im Sprechzimmer der Anstalt vor ihm, das große Parteiabzeichen ostentativ am Rockaufschlage und innerlich zugeknöpft bis über den Halskragen hinauf wenigstens zu Beginn. ,, Ich habe für Sie nur zwanzig Minuten Zeit zur Verfügung!" begann er frostig.
-
,, Nur gut", gab Bert gleichmütig zurück ,,, daß ich rund vier Jahre lang Zeit hatte, mich auf diese Aussprache vorzubereiten!"
"
Vier Jahre?" fragte der Anwalt überrascht, und der vertrauenswürdige Eindruck, den er von seinem Klienten erhielt, ließ ihn rasch auftauen.
Bert erklärte ihm nun, daß er sich zur Sache selbst verteidigen wolle. ,, Recht, dann werde ich mich auf den juristischen Teil beschränken...."
,, Und wie beurteilen Sie von diesem Standpunkte aus meine Lage?"
35 Conrady, Amokläufer.