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hatte, ihn bittend, ihre Verteidigung zu übernehmen und sie sogleich nach Erhalt dieser Zeilen aufzusuchen, voraussichtlich in gerichtlicher Haft. Das Honorar werde ihm in einem Wertbrief in Schweizer Francs zu­gehen.

Diesen Brief gab sie zur Beförderung dem Portier, zugleich mit einem Zettel, der den gleichen Advokaten als Empfangsberechtigten der erwarteten Geldsendung aus der Schweiz bezeichnete.... Nach Erledigung dieses Schrittes nahm sie ein Taxi und fuhr zu ihrem Freunde Mirko in den Zirkus. Sie traf ihn, da es Mittag war, in seinem Wohnwagen. Der getreue Futtermeister erschrak, als er sie eintreten sah. Ihr Gesicht war aschfahl, fleckig, mit rotumränderten Augen, die Lippen in eiserner Ent­schlossenheit zu einem schmalen Strich zusammen­gepreßt.

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Und hier erst, beim Erzählen ihres Schmerzes, löste sich ihre Verzweiflung in Tränen auf. Alles, was es nur an Bitterem und Wehem im menschlichen Weinen geben kann, Haß gegen das Schicksal, das sich unserer Qualen grausam zu freuen scheint; Gewissenspein, dem Ge­liebten vielleicht nun erst recht die Hölle bereitet zu haben das alles zitterte in ihrem Schluchzen. Ver­zweiflung, nichts gab es außer ihr noch in der Welt-- Oder... doch noch eines? Die Rache! Selbst fassungslos vor Erbitterung über die feige Tat des Korsen, stöhnte der Alte immer wieder: ,, Wenn ich ihn nur zwischen meinen Händen hätte, den gemeinen Hund, den Falotten...." Das gab ihr rascher die Haltung wieder, als Mirko erhofft hatte. Sich die Tränen trocknend, bat sie ihn, in seinem Schlafraume sich die Augen kühlen zu können. Kaum eingetreten, griff sie tief in ihre Hand­tasche und atmete auf; das Werkzeug, um ihr Wort wahr zu machen, die glatte, düster funkelnde Mauserpistole lag in ihrer Hand.

Nun nur noch eine kühlende Kompresse auf das brennende Gesicht, um die Spuren des Grams zu ver­wischen. Und dann auf! Es war ihr, als dränge kein Jähzorn sie mit Ungestüm zur Ausführung der Tat,