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milde bewacht durch einen Aufseher, der am Ausgang des Schlafsaales Platz nahm und seine Notizen über jeden Häftling machte. Ein Facharzt stattete ihnen jeden zweiten Tag seine Visite ab und prüfte mit Kenner­blicken das Befinden jedes einzelnen Pfleglings. Das Essen war etwas reichlicher und in bessere Näpfe gefüllt, wozu also gegen eine solche Veränderung protestieren?

Freilich war es mit den Insassen der Abteilung nicht ganz geheuer. Sie waren eben fast durchwegs irgend­wie gezeichnet; Leute mit gebrochenem Selbstvertrauen, die für gerade, normale Wege nicht mehr geschaffen waren und deshalb auch ihren Mitmenschen zumeist scheu und geduckt aus dem Wege gingen oder Männer, die das große Rennen um Ehrgeiz, Geltung, Genuß - kurz Dasein genannt erfolglos aufgegeben hatten und sich nun auf andere Weise Genugtuung zu er­schleichen suchten, durch verbissenen Groll, Verleum­dung und hinterhältige Schadenstiftung; schwache, bös­artig nachtragende Charaktere, in vielem ungelenk und in sich verbissen, oft auch sich selbst zuwider.... Wirkliche Gemütskranke waren nur zwei vorhanden, dazu ein Schwachsinniger und ein morphiumsüchtiger Kranker.... Vielleicht wäre es für den letzteren besser gewesen, wie gleichermaßen für seinen berühmt­berüchtigten Kollegen im Laster, Hermann Göring, den Herrn Reichsmarschall, wenn sie beide die Morphi­nistenzelle irgendeiner Heilanstalt für immer umschlossen hätte!

Am auffälligsten dagegen war, wieviel junge Ange­hörige der SS. unter den Insassen zu finden waren, alles Burschen, die wegen grober militärischer Verfehlungen, wie Fahnenflucht, Angriff gegen Vorgesetzte, Verweige­rung des Gehorsams oder Selbstverstümmelung auf ihren Geisteszustand untersucht werden sollten. Wer sie sprechen hörte, mußte erkennen, wie dünn der eitle Firnis parteimäßiger Voreingenommenheit über einem völlig unsoldatischen Zuschnitt der ganzen Kerle lag..

Das Bett neben Bert hatte ein gleichfalls interessanter

34 Conrady, Amokläufer.